HELENA WALDMANN
PRESSESTIMMEN
BEZAUBERNDE AMAZONEN IN BERLIN
Warum eigentlich immer geradeaus gucken? Nur weil das Theater seit 2500 Jahren den starren Blick nach vorn diktiert?
Helena Waldmann glaubt nicht mehr an die Zentralperspektive als alleinig selig machendes Theatermittel. In ihren medialen Optik-Installationen bringt sie stattdessen die Ordnung der Blicke gehörig durcheinander.
... So geht zuletzt der Blick an seinem eigenen Begehren irre, weil die Nacktheit aggressiv und blutrünstig verhüllt bleibt. Im übrigen kann niemand wissen, ob er wirklich alles gesehen hat.
Franz Anton Cramer ballet international/tanz aktuell 10/00
KOPIEN NACKTER HAUT UNTERM KIMONO
Wie stets bei Waldmann ist das Publikum Teil einer Versuchsanordnung, einerseits Voyeur, gleichzeitig selbst beobachtet in seiner Schaulust. Es ist ein Spiel von Verführung und Gewalt, von Oberfläche und Wahrheit, medialer Vermittlung und Realität, das Helena Waldmann mit ihrem Publikum inszeniert. Schatten, Spiegel und Projektionen erschüttern die normale Wahrnehmung, stellen in Frage, eröffnen neue Sichtweisen. Die Manipulation des Blickes entlarvt die schöne Welt des Scheins als das, was sie ist: als reizvolle Inszenierung der Lüge, als sublime Form des Terrors.
Frankfurter Allgemeine Zeitung 7.10.00
KILLER GEISHA
Helena Waldmann möchte die Welt der Mode bloßstellen. Das Posing einerseits, die Unerbittlichkeit der Blicke andererseits, denen sich die Models ausgesetzt sehen. Dazu hat sie sich der Kleidungsstücke bedient, die die Künstlerin Alba D'Urbano anfertigen ließ, um die Käuflichkeit des (weiblichen) Körpers zu denunzieren. Statt mit Blumen oder Mustern bedruckte sie die Stoffe mit Fotos von Körperteilen. Die drei Tänzerinnen räkeln sich den Zuschauern entgegen, blicken ihnen kühl in die Augen und unterscheiden sich erst von den echten Models, als ihnen der Lippenstift verrutscht. Am Ende schreitet eine von ihnen fast nackt über den Steg, bekleidet lediglich mit zwei Fleischlappen. Dieses 'catwalk banquet' ist zweifelsfrei perfekt inszeniert und einwandfrei durchkomponiert.
Dirk Fuhrig, Frankfurter Rundschau 30.9.00
KILLER-GEISHAS TANZEN EROTISCH ÜBER DIE GLAMOURÖSE FESTTAFEL
Was an 'see and be scene' überwältigt, ist nicht so sehr das Sprechen der Körper an sich, sondern ihre intellek-tualisierte Verbindung mit dem Theatralen.
Marcus Hladek, Frankfurter Neue Presse 30.9.00
DINNER FOR EVERYONE
Als feiere sie ein Abendmahl der Eitelkeiten, hat Helena Waldmann das Publikum zu einem Bankett um den Laufsteg gruppiert. Grausam vollzieht sich die Auflösung der äußeren Hülle der drei Tänzerinnen. Seltsam provozierend und lustvoll biegen sie sich dem Publikum entgegen, bis sie mit einem plötzlichen Griff ins Genick sich selbst in der Neue Medien Künstlerin Alba D'Urbano bloß vorgibt, natürlich zu sein. Ebenso natürlich wie die Nacktheit, die von den Medien täglich als eine 'echte' inszeniert wird. Wie falsch und zerstörerisch diese Intimität ist, zeigt Waldmann durch den fortgesetzten Prozess der Häutung ihrer Tänzerinnen. Die letzte Haut tragen die Frauen schließlich zu einem kleinen Bündel verschnürt in ihren Händen vom Laufsteg.
Antje Schmelcher, Die Welt 1.8.00
VEXIERSPIEL MIT VOYEUREN
Die Zuschauer konzentrieren sich zu Beginn der Aufführung auf die an allen Plätzen ausliegenden Spiegel, mit denen man wahlweise die Models, sich selbst oder die anderen Voyeure reflektieren kann. Das Spiel mit dem Rahmen stellt auch die eigene Position im Vermarktungsspektakel frei: Beschleuniger oder Opfer der Entwicklung - alles eine Frage der Perspektive.
Intelligentes Spiel mit Perspektiven ist eine Spezialität der Frankfurter Choreographin, die nun für eine Spielzeit 'artist in residence' am Podewil ist.
Christiane Kühl, TAZ Berlin, 29./30.7.00
DIE GEISHA ALS KILLERGIRL
Helena Waldmann inszeniert die Blicke des Betrachters mit. Das kann ganz schön ungemütlich werden. Die Regisseurin beherrscht das mediale Spiel von Begehren und Aufschub, sie spielt mit der Illusion von Verführung, der Verführungskraft der Illusion - und haut aufs Auge. Waldmanns künstlerische Strategie und die Aktionen der Darstellerinnen Kazue Ikeda, Yoko Tani und Chia-Yin Ling enthüllen das Theater der Verführung als Inszenierung der reinen Oberfläche.
Sandra Luzina, Tagesspiegel Berlin 27.7.2000