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zur Startseite (ecotopia dance productions: Pressestimmen Gauthier Dance//Dance Company Theaterhaus Stuttgart - POPPEA//POPPEA)

GAUTHIER DANCE//DANCE COMPANY THEATERHAUS STUTTGART

PRESSESTIMMEN

LIEBE IST NUR NOCH EIN FERNES IDEAL
Ist Liebe moralisch? Falls nicht: Ist es dann noch Liebe? Oder Begehren, Wille zur Macht? Darf sich Liebe unmoralischer Mittel bedienen? Um diese Fragen kreist Christian Spucks Tanzstück „Poppea“, mit dem Gauthier Dance, die Tanzkompanie des Theaterhauses Stuttgart, in Ingolstadt gastiert.

Die Antworten, in 70 Minuten dargeboten, sind so pessimistisch, wie das Bühnenbild düster ist – und in ihrer konsequenten Ästhetisierung ein Hochgenuss wie Claudio Monteverdis Oper „L’incoronazione di Poppea“ (Die Krönung der Poppea), die als Inspiration diente.

Poppaea Sabina, zweite Ehefrau des römischen Kaisers Nero, fasziniert wie ihr Gatte bis heute durch die zielstrebige Skrupellosigkeit: Um Kaiserin zu werden, ging sie buchstäblich über Leichen. Bei Monteverdi wird das zur Folie einer allegorischen Auseinandersetzung zwischen Tugend, Glück und Liebe, die selbst Gewalt, Leid und Tod in makellose Klänge gießt. Spuck erzählt nicht die Handlung der Oper nach, sondern umkreist in assoziativen Bildern die zentralen Figuren und Motive. Statt der Antike selbst spürt er Bezügen zwischen der Entstehungszeit der Oper und der Gegenwart nach. Entsprechend geht die Musik Monteverdis in einer Soundcollage (Martin Donner) auf, die sie teils akustisch verfremdet, mit bedrohlichen Industrial Sounds konterkariert und um Rocksongs ergänzt.

Während bei Monteverdi die Liebe den Sieg davonträgt, führt Spuck eine Hofgesellschaft vor, die vor lauter Eitelkeit und Selbstsucht zu solchen Gefühlen nicht mehr fähig zu sein scheint. Liebe ist nur noch ein fernes, kraftloses Ideal – wie jene blasse Blume, deren riesiges Schwarz-Weiß-Foto über der (bis auf zwei Tische) leeren schwarzen Bühne (auch Kostüme: Emma Ryott) prangt. Der Gegenpol: eine Projektionsleinwand, die per Live-Cam immer wieder die Akteure in Nahaufnahme zeigt. Eine Nähe, die keine ist, gemahnt sie doch an die Versessenheit auf Medienpräsenz, die Superstars wie Promis heute dazu bringt, sich bis in intimste Details schonungslos selbst zu „posten“.

Darunter tobt im kalten, schattenreichen Zwielicht (Reinhard Traub) eine neunköpfige Renaissance-Gang: Kostüm-Details wie Mieder, Wämser, Puffärmel, geraffte Röcke in Schwarz und dunklem Rot evozieren die Pracht eines italienischen Hofs, doch die Mechanismen von Macht und Intrige scheinen zeitlos. Wo jeder Fehltritt das Leben kosten kann, werden Virtuosität und Selbstbeherrschung zur Überlebensfrage. Entsprechend anspruchsvoll ist die Choreografie: Spucks zeitgenössisches Tanzidiom fußt sichtlich auf der klassischen Technik; mit nahezu athletischer Partnerarbeit, nuancierter Gestik und komplex-ornamentalen Formationen verlangt er seinen (allesamt hervorragenden) Tänzern ein Höchstmaß an Konzentration und Können ab – bei durchgängig sehr hohem Tempo. Nicht alles aber ist tänzerisch gelöst: Den von Nero angeordneten Selbstmord des Philosophen Seneca sehen wir als ergreifendes Video (Fabian Spuck) voller suggestiver Bilder von Blut und Ausweglosigkeit.

Nero selbst ist bei Gabriel Bucher ein fast grotesker Grunge-Kaiser, der sich in exaltiertem Fingerspiel gefällt und schon mal wüst herumbrüllt. Und Poppea? Garazi Perez Oloriz tanzt sie als berechnendes Energiebündel, die ihre athletischen Beine kokett in Pose stellt und den goldenen Lorbeerkranz weit mehr zu lieben scheint als Nero oder ihren „Ex“ Ottone (Armando Braswell) – den sie in ihren ausgiebigen Pas de deux keines Blickes würdigt. Noch-Kaiserin Ottavia (Anna Süheyla Harms) entledigt sich am Ende vor aller Augen ihrer roten Robe. Fast nackt steht sie da – ohne Rolle und Position plötzlich nur noch ein Mensch, schutzlos preisgegeben. Und Poppea hat gesiegt. Ein Sieg der Liebe? Vielfache Bravorufe und langer Applaus im leider nicht ausverkauften Haus bei der Premiere.
Katharina Tank, Donaukurier 11.2.2012

EINE SENSATION ZUM AUFTAKT
Für die Freunde zeitgenössischen Tanzes in Ingoldstadt beginnt eine neue Ära: Nach "Dance Short Cuts" im kleinen Haus und dem ersten Internationalen Tanzfestival im vergangenen Jahr, beides organisiert von einer Gruppe junger Kulturschaffender, will nun auch der Intendant dem Genre einen festen Platz im Stadttheater-Spielplan einräumen. "Das ist mir ein großes Anliegen, weg vom klassischen Ballett zu kommen und konsequent auch zeitgenössische Tanzästhetik zu zeigen", sagt Knut Weber.

So weit, so schlicht. Welchen Qualitätsanspruch er sich aber dabei setzt, lässt sich ab heute Abend im Großen Haus bestaunen. Dort ist für vier Vorstellungen die derzeit in Deutschland wohl führende Compagnie für zeitgenössischen Tanz, das Stuttgarter Ensemble Gauthier Dance zu Gast. Und das auch noch mit einer Inszenierung, die gerade mit dem Deutschen Theaterpreis "Der Faust" ausgezeichnet wurde. "Poppea/Poppea" heißt das gut einstündige Tanzstück, das der ebenfalls mehrfach preisgekrönte Choreograf und Regisseur Christian Spuck, designierter Direktor des Züricher Balletts, konzipierte. Hochkarätiger geht es zum Auftakt wohl kaum.

Und spannender vielleicht auch nicht. Denn " Poppea/Poppea", inspiriert von der 1642 uraufgeführten Monteverdi-Oper "L`ìncoronazione di Poppea" taucht als assoziatives Handlungsballett ein in die skrupellose Welt einer wilden, amoralischen Liebe. "Es geht um Kaiser Nero, der sich in Poppea verliebt", erzählt Eric Gauthier, Shooting-Star der Tanzszene und Leiter der von ihm gegründeten Gauthier Dance Compagnie. "Damit diese Liebe gewinnen kann, müssen viele weg." Mord und Totschlag, Liebe und Intrige, angesiedelt im alten Rom, gibt es also als Plot. Und Opernmusik von Monteverdi dazu. Eine Barockschmotzette als modernes Tanztheater? Gauthier lacht. "Ja, es gibt originale Musik. Aber Christian Spuck hat mit einem Komponisten zusammengearbeitet, der diese Musik auch immer wieder mit Beats unterlegt und ganz moderne Klänge schafft. Das ist richtig cool geworden, was ganz Besonderes", sagt der aus Toronto stammende Choreograf und Tänzer, der im Zweitberuf auch Musiker ist und eine Band namens Royal Tease leitet.

Eine ähnlich komplexe Mischung ist auch die Choreografie selbst, in der es Sprechtexte gibt und Videoeinspielungen und wohl eine tanztheatrale Ausrichtung, auch wenn Gauthiers zehnköpfige Compagnie definitiv kein Tanztheaterensemble ist. "Aber dieses Stück könnte auch von einem großen Ballett getanzt werden", sagt Gauthier, " es kann einfach alles." Stolz sei er, sagt er, auf die Produktion und erst recht auf den im November verliehenen "Faust".
Und ein wenig traurig ist er auch. Denn Gauthier, auch gefeierter Tänzer im eigenen Ensemble, wird in Ingolstadt die zentrale Rolle des Nero nicht tanzen können – ein eingeklemmter Nerv hat ihn für mehrere Wochen außer Gefecht gesetzt. Nun springt der Franzose Gabriel Bucher, seit 2003 Mitglied in Marcia Haydees Ballett de Santiago de Chile für ihn ein. " Das ist schade für mich!" Ingolstadt wird Gauthier trotzdem in Aktion erleben. "Wir kommen nächstes Jahr mit einem anderen Stück wieder", verrät er. Intendant Weber meint es ernst mit dem zeitgenössischen Tanz.
Karin Derstroff, Donaukurier 9.2. 2012

POPPEA IN INGOLSTADT
Es ist DIE Compagnie für zeitgenössischen Tanz in Deutschland: Gauthier Dance – das Tanzensemble des Theaterhauses Stuttgart unter der Leitung des Choreografen und Tänzers Eric Gauthier. Und er ist DER Spezialist für theatrale Tanzinszenierungen: der bisher ebenso in Stuttgart wirkende Choreograf Christian Spuk. Die einen erhielten kürzlich den Deutschen Theaterpreis "Zukunft", der andere wird demnächst Direktor des Züricher Balletts, mit einer gemeinsamen Arbeit kommen sie jetzt nach Ingoldstadt. Natürlich ist auch "Poppea/Poppea" preisgekrönt: Im November erhielt die getanzte Geschichte um die rücksichtslose Liebe zwischen Kaiser Nero und Poppea nach der Oper von Monteverdi den wichtigsten Deutschen Theaterpreis, den Faust, von Dance Europe wurde die Inszenierung zu den zehn besten Produktionen weltweit gewählt. Hingehen!
Donaukurier, 9.2. 2012

KRAFTVOLLER BLICK AUF MACHT UND LIEBE
Ein fantastischer Abend, der eine moderne Ballettmontage mit verschiedenen Sichtweisen auf das Spiel um Macht, Liebe und Versuchung liefert. Das Publikum im voll besetzten Grand Théâtre in Luxemburg feiert die Produktion von Christian Spuck und Gauthier Dance mit minutenlangem Applaus.
Hannah Schmitt, Trierischer Volksfreund 22.5.2011

EISKALTE RÄNKESPIELE
Claudia Monteverdis düstere Barockoper Poppea stand Pate für das ungewöhnliche, atemberaubende Tanzstück von Christian Spuck, der die eiskalten Ränkespiele der machtbesessenen Poppea und ihres Geliebten Kaiser Nero multimedial auf die Bühne bringt. Ein echtes Nachtstück, das die tiefsten seelischen Abgründe mit herrlicher Präzision ausleuchtet und das Publikum von der ersten bis zur letzten Sekunde begeisterte.
Poppea//Poppea ist mehr als ein ausgezeichnet getanztes, intelligent konzipiertes und phantastisch instrumentiertes und arrangiertes Stück. Es ist einfach ein Glücksfall.
Birgitt Scheuermann, Rheinpfalz 19.5.2011

AMORALISCHE LIEBE IN ROM
Gauthier Dance, die Company des Stuttgarter Theaterhauses entafchte im Ludwigshafener Pfalzbau, Begeisterungsstürme. Mit Tanztheater vom Feinsten: In Körper- und Bewegungssprache spannend erzählt, ohne Handlungsballett zu sein; aber ein Psychogramm von sechs Personen, denen es um Macht und nochmals und Macht geht - natürlich auch um Liebe.

Choreograf Christian Spuck, dem in den 80 pausenlosen Minuten eindrucksvolle Bilder gelingen, fokussiert in seiner Adaption der Monteverdi-Oper "L'incoronazione di Poppea" auf die amoralische Liebe Neros zu Poppea. Doch dem Zuschauer eröffnet sich in einer beeindruckenden Musikzusammenstellung (Martin Donner) aus Monteverdi-Zitaten, Percussions-dominierten Klangcollagen und Pop-Rock vorrangig der Blick auf eine machtlüsterne Frau, der Liebe nur Mittel zum Zweck ist. Die exzellente Garazi Perez Oloriz zeigt das schon früh in den begehrlichen Blicken auf Neros goldenen Lorbeerkranz. Ihre wunderbaren Pas de Deux mit dem Kaiser wirken unterkühlt, gleichwohl dominiert sie alle Männer.
Mannheimer Morgen 19.5.2011

GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN
Ich weiß nicht, was es über die Liebe zu sagen gäbe, denn man kann alles und nichts sagen“ sagt eine junge Tänzerin auf dem Boden liegend in ein Mikrofon. Der Choreograph Christian Spuck weiß mit seinem Tanzabend „Poppea/ Poppea“ viel über die Liebe zu er- zählen. Ihn interessiert nicht die plüschig, sentimentale Seite der Liebe, sondern das schwarze Loch der Leidenschaft. Die Gauthier Dance Company aus Stuttgart be- eindruckte mit ihrem Gastspiel im Teo Otto Theater. Eine sperrige Äs- thetik und eine epische verfremde- te Erzählweise überzeugten in ihrer Konsequenz.
Christian Peiseler, Bergische Morgenpost 13.5.2011

POPPEA - EIN GETANZTES GESAMTKUNSTWERK
Die am Theater Stuttgart angesiedelte Gauthier Dance Company zeigte sich einmal mehr in Bestform: Großartige, ausdrucksstarke junge Tänzerinnen und Tänzer, die mit Esprit und Eleganz spielerisch leicht das neo-klassische Tanzvokabular beherrschen, aber auch ihre je eigene Persönlichkeit einbringen.

Immer wieder wird für Sekunden die Bewegung auf der Bühne wie ein Film angehalten und es entstehen berückend schöne Tableaux', die in ihrer dramatischen Lichtstimmung die Hell-Dunkel-Malerei barocker Meister zitieren (Lichtdesign Reinhard Traub). Atemberaubend, wie es Spuck gelingt, all die verschiedenen Versatzstücke und Ebenen nicht nur zusammenzucollagieren, sondern zu einer neuen, ganz und gar zeitgemäßen Form zu verschmelzen. Völlig zu Recht wurde das Gesamtkunstwerk von dem kleinen, aber begeisterungsfähigen Publikum im Teo Otto Theater minutenlang bejubelt.
Anne-Kathrin Reif, Remscheider Generalanzeiger 13.5.2011

DIE VIELSEITIGE ALLESKÖNNERIN
Das Ensemble agiert mit bestechender Präzision, intensivem Ausdruck und einer Leichtigkeit, als hätten Körper kein Gewicht. Ironische Akzente in die dunkle Handlung setzen die Erzählerin, die immer wieder ansetzt, das verworrene Geschehen zu sortieren, und ein clownesker Nero, getanzt von Eric Gauthier. Man mag ihn belachen – doch er hat die Macht. Ein Fingerzeig Poppeas, und er Philosoph Seneca sinkt zu Boden. Was am Ende siegt, ist keine romantische Liebe, es sind Menschen, die sich nehmen, was sie wollen.

Das mitunter verwirrend vielschichtige Geschehen findet im Tanz seinen großartigen Ausdruck und einen Rhythmus, der einen im Atem hält. Aus dem Ensemble, das sich immer wieder in bestechenden Großbildern findet, lösen sich Einzelne, erzählen tanzend ihren Teil, doch stets bleibt die Compagnie als Ganzes der Star. Videobilder vergrößern, doppeln, ergänzen das Bühnengeschehen, das irritiert gelegentlich und lenkt ab, erlaubt aber auch einen Blick auf sonst ferne Gesichter. Eine effektvolle Farb- und Lichtregie unterstreicht den düster-fatalen Grundton – mitunter leuchtet nur die Haut der Tänzerinnen und Tänzer aus einem Meer von Grauschattierungen. Als Farbakzent leuchtet hier und da ein starkes Rot, die Farbe der Liebe und des Blutes. Am Ende schließt sich der Bogen, dies Spiel endet nie. Es gibt eben doch eine Menge zu sagen über die Liebe. Das Publikum ist hingerissen, der Beifall will kaum enden.
Sabine Ehrentreich, Badische Zeitung, 22.1.2011

EIN WÜSTER TODESREIGEN UM LIEBE UND MACHT
Im virtuosen Licht von Reinhard Traub entfesselt das Ensemble auf der karg möblierten, schwarz ausgeschlagenen Bühne und mit dunklem Kostümandeutungen 90 kurze Minuten lang einen mitreißenden Strudel menschlicher Leidenschaften. Einzelne Solisten dieses beklemmend intensiven, brilliant ausgeführten und perfekt austarierten Abends hervorzuheben, würde die fabelhafte, wunderbar geschlossene Gesamtleistung der Compagnie mindern. Das Publikum des großartigen Abends feierte die Gäste mit frenetischem Jubel für eine einzigartige Aufführung, mir der das gastgebende Tollhaus einen großartigen, hoffentlich folgenreichen Glücksgriff gemacht hat.
Rüdiger Krohn, Badische Neueste Nachrichten Karlsruhe 13.12.2010

BILDER IN REMBRANDT-FARBEN
Poppea//Poppea erzält auf zwei Ebenen. Einerseits tanzt die Compagnie die Geschichte, andererseits hebt jedes Ensemblemitglied das Stück aus der Vergangenheit in die Gegenwart. Die Gruppe setzt dieses Gedankenspiel in fesselnden Tanz um - auch Dank der Lichtregie und der Kostüme, die Bilder von Rembrandtt'scher Würde vermitteln.
Ingeborg Schwenke-Runkel, Leverkusener Anzeiger 13.12.2010

POPPEA//POPPEA
Eineinviertel Stunden fulminanter Tanz.
Spuck gelingt es, theatralische und tänzerische Elemente in der Waage zu halten. Die herausragenden tänzerischen Momente sind einmal Gruppensequenzen, in denen Spuck einen gespenstischen Furor entfacht, untermalt von pulsierender Musik, und Duetten, in denen er durch klare Bewegungsgebung Liebe und Hass verhandelt.
Klaus Kieser, tanz Oktober 20110

POPPEA//POPPEA
Poppea//Poppea races, swells and ebbs, and it carries you, until depositing you on the edge of your seat, touched and disgusted by human nature. Much like a Quentin Tarentino film, it just has style, and like his films the ballet was impeccably well made. It was well rehearsed, well lit, well danced, well conceived, and well, again, ... fantastic. Eric Gauthier has a talent for collaboration, and with Spuck they have created in Poppea//Poppea a tremendous success.
Dwayne Holliday, Dance Europe, Aug/Sept 2010

UMJUBELTE BALLETT-URAUFFÜHRUNG VON «POPPEA//POPPEA»
Die Liebe? Ein schwieriges Thema. Worüber schon so viele Worte verschwendet worden seien, sagt eine Tänzerin bei der Ballett-Uraufführung von «Poppea//Poppea» in gestelzten Phrasen. Und so bleiben Worte rar bei dem umjubelten Premierenabend am Donnerstag im Theaterhaus Stuttgart.

Gesagt wird dennoch sehr viel: Die freie Compagnie Gauthier Dance erzählt in virtuoser Körpersprache die fatale und zugleich sentimentale Liebesbeziehung zwischen dem römischen Kaiser Nero und seiner Geliebten Poppea. Bis sie Kaiserin werden kann, fließt viel Blut. Choreograph Christian Spuck, der 2012 Direktor des Zürcher Balletts wird, gelingt eine furiose Ballett-Version der Monteverdi-Oper «Die Krönung der Poppea».

Auf der Bühne ist ein riesiges Kamelienblüten-Bild zu sehen - die Kamelie gilt in der Literatur und Kunst auch als Symbol für den Tod. Mit dem Bild verweist Bühnenbildnerin Emma Ryott auf die große Tradition des benachbarten, ungleich größeren Balletts am Württemberger Staatstheater. Dort wurde «Die Kameliendame» 1978 als Ballett uraufgeführt, dort feierten der heutige Compagnie-Leiter Eric Gauthier und Choreograph Spuck in den vergangenen Jahren große Erfolge. Auf der kleineren Bühne am Theaterhaus haben sie freie Bahn, ihre Lust am Anarchisch-Kreativen auszutanzen.

Schon erste Musik-Einspielungen brechen die Konventionen: Der klassische Auftakt der Monteverdi-Oper von 1642 wird wie von einem DJ am elektronischen Mischpult gescratcht, wiederholt, zerstückelt. Später wechseln sich sakrale Gesänge, klassische Musik von Schumann, Cembalo-Klänge, Rockmusik und E-Musik ab. Wenn Cat Powers Song «Hate» erklingt, brechen die synchronen Bewegungen nebeneinanderstehender Tänzer auf und enden im menschlichen Knäuel zuckender Gliedmaßen. Das Tanzensemble, aus dessen grandioser Gesamtleistung Giuseppe Spota als verschmähter Mann von Poppea (Garazi Perez Oloriz) noch hervorsticht, ist in barocke Kostüme mit Halskrause und Schulterpolster gekleidet.

Choreograph Spuck gelingt eine ganz eigene, intensive Körpersprache, die von geschmeidigen Bewegungen fast übergangslos zu eckiger Mechanik wechselt. Der 33-jährige Compagnie-Chef Gauthier tanzt inbrünstig den Kaiser Nero, der seine Gattin Ottavia ermordet , um den Weg freizumachen für Poppea auf dem Thron. Leider verliert Gauthier am Ende des 80-minütigen Spektakels den Glauben daran, dass wortloser Tanz zur Darstellung großer Geschichten genügt. Dem Wahnsinn Neros verleiht er mit Geschrei Ausdruck. Eingespielte Videocollagen mit ertrinkenden und verblutenden Menschen verschaffen den Tänzern auf der Bühne eine Atempause, die Zuschauer reißen sie allerdings aus dem choreographischen Sog heraus. Doch das sind nur marginale Schwächen bei einer Premiere, die von den 650 Zuschauern im Saal mit langanhaltenden Bravo-Rufen bedacht wurde.
dpa Meldung DIE ZEIT, 2.7.2010

ÜBER LIEBE LÄSST SICH NICHTS SAGEN
Dass es ihr eine Ehre sei, die Geschichte von Nero und Poppea zu erzählen, sagt die Tänzerin Marianne Illig eingangs auf Französisch. Wie sie dabei auf die am linken Bühnenrand aufgereihten Tänzer zeigt und in knappen Sätzen Handlung und Personen erklärt, bringt das nicht gerade souverän Ordnung in die Narration. Die Erzählerin versucht sich Gehör zu verschaffen, wird mal hinausgetragen, dann wieder Teil der Szene und verliert zunehmend den Überblick über das verwickelte Geschehen. Und so ergeht es auch dem Zuschauer.
Aber mit welchen Mitteln Poppea die Hochzeit mit Kaiser Nero erreichen will, und mit welchen Intrigen wiederum die noch amtierende Kaiserin Ottavia, der in Poppea verliebte Ottone und die ihrerseits Ottone liebende Drusilla sowie der Philosoph Seneca die Krönung der Geliebten Neros verhindern wollen, das ist letztlich nicht entscheidend in Christian Spucks "Poppea/Poppea". Der Choreograf hat das jetzt im Stuttgarter Theaterhaus uraufgeführte Tanzstück von der Erzählstruktur her bewusst als Verwirrspiel angelegt, besieht Liebe, Erotik, Machtgier, Verführung, Moral und Eigennutz - die den Menschen immer wieder umtreibenden Themen und Leidenschaften - philosophisch grundiert von einer Metaebene aus.

Das hört sich nun komplizierter und unzugänglicher an, als es auf der Bühne tatsächlich erscheint. Denn Christian Spuck erzählt zwar einerseits intellektuell-abstrakt, macht jedoch zugleich Geschichte und allgemeine Inhalte über die Szene anschaulich. Da sind zeichenhafte Symbole, wie das purpurrote Kleid, das zuerst Ottavia (Isabelle Pollet-Villard) trägt und das zum Schluss Poppea (Garazi Perez Oloriz) von Nero bekommt. Oder Neros goldener Lorbeerkranz auf dem Tisch, den Poppea begehrlichen Blicks umkreist. Und da sind natürlich die betörend schönen, sinnlichen Bilder, wie man sie schon aus früheren Balletten Spucks kennt und schätzt.

Die zwischen Purismus und Opulenz changierende Ästhetik der Inszenierung prägt Emma Ryotts Ausstattung wesentlich mit. Die Britin hat bereits häufig mit Spuck zusammengearbeitet. Ryott lässt die schwarze Bühne bis auf ein paar Tische und Stühle leer; auf einem Schwarzweiß-Foto recken sich à la Mapplethorpe erotisch die Blütenstengel einer Blume; die vorne offenen Reifröcke über den kurzen Pants der Damen, die Mieder und Pluderhosen zitieren Renaissance und Barock.

Auch manche der Tableaus, die Spuck entworfen hat, wirken, als würde der Tanz für einen Moment zu einem Barockgemälde erstarren, um sich dann sofort wieder in temporeiche, vielgestaltige, im Tanzduktus modern grundierte Soli, Duette und Ensembles zu wandeln. Nicht einmal die musikalische Vorlage, Monteverdis Oper "L'incoronazione di Poppea", bleibt als Gesamtes erhalten. Immer wieder konterkarieren Martin Donners elektronische Kompositionen disparat und düster grollend den Barockwohlklang, bricht eine Arie ab und setzt neu ein, erklingen Klaviermusik von Schumann oder Rocksongs.

Gespiegelt in der Barockmusik und der aus der römischen Antike herrührenden Handlung erzählt Christian Spuck eine Geschichte von heute. Das gilt nicht nur für die zersplitterte Erzählstruktur, sondern auch für die Protagonisten des Stücks. Spucks im Ballett gründender Stil ist nicht per se dazu angetan, allein aus dem Tanz heraus Figuren zu beschreiben. Der Choreograf charakterisiert mehr über die Gesamtszene und hat da wie stets spannende Ideen insbesondere für die Ensembles. Die darstellerisch sehr präsenten und technisch hervorragenden neun Tänzer von Gauthier Dance, mit denen der Hauschoreograf des Stuttgarter Balletts den Abend entwickelt hat, bringen jedoch immer wieder dem zeitgenössischen Tanz nahe, unmittelbar über die Körpersprache sich vermittelnde Ausdrucksformen ein.

Wie etwa die Ottavia von Isabelle Pollet-Villard, besiegt von Poppeas unbedingtem Machtwillen und ihren Verführungskünsten, das rote Herrscherkleid auszieht, berührt den Betrachter ebenso unmittelbar, wie die zwischen Verletzlichkeit und Skrupellosigkeit hin und her gerissene Poppea der Garazi Perez Oloriz selbst. Und Eric Gauthier (auch in der Rolle des Despoten Nero ein wenig der Komödiant), Maria Deller-Takemura (Drusilla), Armando Braswell, Björn Helget, Giuseppe Spota (Ottone) und William Moragas (Seneca) stehen dem in nichts nach.

Spucks von der Ballett-Neoklassik geprägtes Tanzvokabular bekommt so eine frische, zeitgenössische Note. Vom Choreografen bekannten Ingredienzien wie das markante Spiel der Arme, Attitüden, geflexte Füße erscheinen dadurch neu. Nichtsdestotrotz ist "Poppea/Poppea", insbesondere in Bezug auf das aufs Feinste abgestimmte Zusammenwirken der Künste, ein typisches Spuck-Stück.

Harmonie herrscht jedoch nur in Bezug auf die Ästhetik. Die Moral hat ausgedient, spätestens, als im Stück ihr Stellvertreter, der Philosoph Seneca, ermordet worden ist. Es siegt die Liebe, aber diese bleibt den Menschen ein Rätsel, und aufgrund dessen sind sie ihr ausgeliefert. Christian Spuck lässt dazu einen Philosophen jüngerer Zeit zu Wort kommen, Jean Baudrillard, der einen Schlüsselsatz zum Tanzstück beisteuert. Erst Garazi Perez Oloriz, dann Isabelle Pollet-Villard zitieren Baudrillard, auf dem Boden liegend, das Mikrofon in der Hand, während die Kamera ihre Gesichter schutzlos der Großaufnahme auf die Leinwand preisgibt: "Ich weiß nicht, was es über die Liebe zu sagen gäbe, denn man kann Alles und Nichts sagen."
Claudia Gass, Stuttgarter Zeitung 3.7.2010

DER GANZE SPUCK IN 70 MINUTEN
Eine Geste, die alles sagt: Am Ende eines intensiven Tanzabends dankt Eric Gauthier seinem Choreografen herzlich. Zu Recht: Christian Spucks "Poppea//Poppea" zeigt Gauthier Dance darstellerisch wie tänzerisch in Bestform. Ein Stück wie ein Geschenk, das dem Theaterhaus auch nach der Premiere am Donnerstag viel Publikum bescheren wird.

Für alle, die Christian Spucks Werdegang verfolgen, seit er 1996 mit "duo/towards the night" erstmals als Choreograf antrat, ist die Begegnung mit seinem Stück im Theaterhaus eine Art Suchspiel. "Poppea//Poppea" ist so prallvoll gefüllt mit Zitaten aus früheren Stücken, dass quasi der ganze Spuck in 70 Minuten Revue passiert - von der kaum gebändigten Intensität der frühen Stücke bis zu den optischen Tricks von "Lulu".

Weil ein hochmusikalischer Bewegungsfinder am Werk ist, ist der Blick zurück nie langweilig, sondern ein Tanzfest für das kleine Ensemble von Eric Gauthier. Und da Christian Spuck, seit 2001 Hauschoreograf des Stuttgarter Balletts und ehemaliger Kollege Eric Gauthiers, seine künstlerische Heimat bald verlässt, sei ihm ein wenig Wehmut gestattet - auch wenn man sich den designierten Zürcher Ballettchef zukunftsorientierter wünscht.

Für alle, die über Gauthier Dance nun zufällig mit Spucks Welt in Berührung kommen, ist "Poppea//Poppea" ein verblüffendes, enorm anregendes Bühnenerlebnis. Dass Tänzer in barocken Kostümen stecken und sich doch auf der Höhe unserer Zeit bewegen? Dass die Musik Monteverdis (und anderer bis hin zu Popstars wie Emiliana Torrini), dank des Zugriffs des Komponisten Martin Donner und seinen Bearbeitungen, modern und spannend wie ein Krimi klingt? Dass der antike Plot um die Geliebte Neros eine Analyse birgt, die uns zum Nachdenken über die Manipulierbarkeit unserer Wahrnehmung, unserer Gefühle zwingt?

Christian Spuck gelingt so etwas wie die Quadratur des Tanzkreises: Er lässt, angeregt von Monteverdis letzter Oper, die Illusionsmaschine auf Hochtouren laufen, wirft an den kostbarsten Stellen aber Sand ins Getriebe. Wie die Liebe ist Schönheit vergänglich, das sagt auch die Blüte, vor der "Poppea//Poppea" spielt. Und: Nichts soll so sein, wie es scheint. Schon die eigenwillige Schreibung des Stücktitels verweist darauf.

Drei Tische und ein paar Stühle, mehr Requisiten braucht Spucks Ausstatterin Emma Ryott nicht für ihren Wartesaal der Gefühle. Auch wenn Marianne Illig stets verwirrt, indem sie die Geschichte der Poppea, ihres verlassenen Liebhabers Ottone und seines missglückten Attentats aufs Neue aufdröselt, ist die Versuchsanordnung einfach: Es geht um das, was einen Menschen so attraktiv macht, dass ihm andere blind verfallen. Wie ein Objekt der Begierde glänzt Neros Lorbeerkranz auf dem Tisch; Macht toppt einfach alles.

Die körperlichen Reize der Poppea, die Garazi Perez Oloriz, die jüngste Tänzerin Gauthiers, als unwiderstehlich unterkühltes, intrigantes Biest gibt, sind ähnlich verführerisch. Gierig rückt ihr eine Handkamera auf den Leib und verklärt sie auf der Leinwand zum unerreichbaren Objekt. Alle tragen sie auf Händen, klar will Nero sie haben. Und Eric Gauthier, der die Rolle des irren Imperators auch ohne überflüssige Anleihen bei Peter Ustinov mehr als füllen würde, nimmt die Geliebte wie ein Spielzeug in Besitz.

Die Vernunft hat in dieser Konstellation, die Spucks Poppea-Revue immer wieder neu anordnet, keine Chance, auch wenn Ottone (Giuseppe Spota) und seine Verbündeten in einem dynamischen Pas de trois auftrumpfen. Seneca, den besonnenen Philosophen, und Ottavia, die betrogene Gattin Neros, zeigen ästhetisch durchgestaltete Filmbilder in gläserne Wasserbecken gepfercht, jeglichen Handlungsspielraums beraubt. In einem innig-verwinkelten Duett bringen William Moragas und Isabelle Pollet-Villard später Hand und Kopf ins Spiel, bis ihr Insistieren wahrlich anrührt. Doch Nero und seine willigen Vollstrecker, die Armando Braswell und Björn Helget im fliegenden Wechsel mit anderen, nicht immer klar zuordenbaren Rollen geben, kennen keine Gnade.

Weil Amors Pfeile keine Waffen sind, gehen alle Mordversuche schief. Überzeichnet wie eine Karikatur ordnet Spuck die Attentäter an; auch Nero könnte im Wechselspiel von kindsköpfigem Trotz und Selbstverliebtheit erheitern, ebenso wie Maria Deller-Takemura als verzweifelt flüchtende Tatverdächtige. Doch "Poppea//Poppea" ist ein meisterhaftes Spiel mit Stimmungen und Atmosphären, das im richtigen Moment auf die Bremse tritt und die schönsten Ensembleszenen ins Leere laufen lässt. Ohne Zwischenapplaus folgt das Publikum gebannt, bis es beim tosenden Schlussapplaus kein Halten mehr gibt.

Am Ende steht alles auf Anfang, noch einmal setzt Marianne Illig zu ihrer Erzählung an. Weitergebracht hat dieser Abend den Choreografen Christian Spuck tatsächlich nicht. Für die Tänzer Gauthiers, die sich mit unbändiger Lust in dieses Abenteuer stürzen, ist "Poppea//Poppea" aber ein einziger Gewinn. Nie sahen sie besser aus, nie waren sie technisch wie darstellerisch mehr gefordert. Mit "Don Q.", seiner Revue für Egon Madsen und Eric Gauthier, hatte Christian Spuck so etwas wie die Ouvertüre zur Erfolgsgeschichte von Gauthier Dance choreografiert. Nun legt er mit dem ersten abendfüllenden Stück für das kleine Ensemble die Latte so hoch, dass sich bei Gauthier Dance niemand mehr zu bücken braucht.
Andrea Kachelrieß, Stuttgarter Nachrichten 3.7.2010

SCHON SIND SIE DES TODES
Stuttgart hat ein erstklassiges Ballett, das dem choreografierenden Nachwuchs regelmäßig eine Chance gibt. Aber es hat auch Tänzer, die sich selbst ihre Chance geben: Einiges an Mut wird es erfordert haben, dass Eric Gauthier, ehemals Solist des Stuttgarter Balletts, ein eigenes Ensemble gründete, 2007 war das. Seitdem hat sich "Gauthier Dance" am Theaterhaus etabliert. Acht Tänzerinnen und Tänzer sind es, dazu der Chef, der auch selbst tanzt.

Als Choreograf pflegt Gauthier das Unterhaltsam-Gefällige. Doch hat er gute Beziehungen zu anderen Tanzschöpfern - und ein exzellentes Ensemble. Diesem hat nun Christian Spuck, Hauschoreograf des Stuttgarter Balletts und designierter Leiter in Zürich, eine Betrachtung zum Thema Liebe, Eifersucht, Machtmissbrauch auf den Leib choreografiert, nach Motiven der Monteverdi-Oper "L´incoronazione di Poppea". Ein emotional expressiver Abend von knapp anderthalb Stunden ist das geworden, der ab und zu ironisch Abstand nimmt von den starken Gefühlen.

Eine Art Erzählerin hat Spuck dafür eingeführt, sie stellt anfangs mit lässiger Knappheit die Handelnden vor: "Das ist Ottone", sagt sie zum Beispiel, "Ottone liebt Poppea. Ottone wird aus Angst vor Verrat versuchen, Poppea in Drusillas Kleidern zu ermorden." Man sieht, die Dinge sind etwas verworren bei Monteverdi. Auch gibt es Tote, schließlich ist der berüchtigte Kaiser Nero beteiligt. Der Philosoph Seneca, dem Nero befiehlt, Selbstmord zu begehen, wird hier in Wasser schwebend gezeigt (Film: Fabian Spuck), sein Blut umwölkt ihn.

Christian Spuck streut ab und zu ein Stückchen Handlung ein, lässt sich aber nicht einschränken in seinen Assoziationen über fatale Leidenschaften und daraus geborener Willkür. Poppea braucht nur mit dem Finger auf Seneca, Ottavia, Ottone zu zeigen, schon sind sie des Todes, denn es gibt keinen Wunsch, den der liebestolle Nero ihr abschlagen würde. Giuseppe Spota tanzt ihn als gefährlichen Hampelmann, mit manchmal fast Groucho-Marx´schen Bewegungen.

Spuck scheut sich nicht vor dem einen oder anderen Witz, vor greller Überzeichnung. Doch überwiegt deutlich eine fließende Eleganz und, in den Duos vor allem, die feine Nuancierung der ja durchweg nicht unproblematischen Paar-Beziehungen. Musikalisch ist der Abend ohnehin aufgeladen. Martin Donner, der bereits mehrfach für Spuck gearbeitet hat, ergänzt diverse schönheitssatte Monteverdi-Ausschnitte (nicht nur aus "Poppea") durch Dunkel-Dräuendes. Und auch etwas Singer/Songwriter-Pop erklingt, etwa von Emiliana Torrini.

Christian Spuck und die Bühnen-/Kostümbildnerin Emma Ryott waren nicht über-sparsam, haben aber doch sichtlich für ein Ensemble gearbeitet, das sich auf dem so genannten freien Markt bewegen muss. Entstanden ist ein kompaktes, problemlos auf Tournee zu nehmendes Stück, das zudem auf einer reizvollen Vorlage beruht, die für den Tanz erstaunlich gut funktioniert.

In manchen Momenten macht "Poppea// Poppea" (so Spucks Titel) einen arg routinierten Eindruck. Das ist aber schon der schlimmste Vorwurf, den man der Choreografie machen kann. Sie läuft wie am Schnürchen; und immer wieder tut sie mehr als das. Gauthier Dance wird sich damit weitere Freunde machen.
Sylvia Staude, Frankfurter Rundschau 3.7.2010

TRIUMPF DER BESESSENHEIT
Wenn inmitten einer ernst blickenden Darstellerriege Eric Gauthier als Kaiser Nero vorgestellt wird, lachen die Zuschauer im Theaterhaus erst mal laut – vielleicht war das Programm von Gauthier Dance bisher doch ein bisschen zu humorlastig. Die Amüsierwut hat sich schnell verflüchtigt. Christian Spucks Uraufführung „Poppea//Poppea“ ist ein durch und durch ernstes Stück Tanztheater, vom Chef der kleinen Theaterhaus-Tanztruppe im Programmheft als das „eine“ Stück begrüßt, das am Ende des Titel-Countdowns seit „Six Pack“ und „High Five“ stehe. Nach viel Klamauk und Tanzgeblödel dürfen die neun Tänzer der Kompanie endlich wieder zeigen, dass sie wesentlich mehr können. Gerade und vor allem ihr Direktor Eric Gauthier.

Auch im Theaterhaus hat sich Christian Spuck von seiner Lieblingsausstatterin Emma Ryott wieder ein schickes Ambiente bereiten lassen, auf der sparsam mit ein paar Stellwänden, Tischen und Stühlen möblierten Bühne kommen ihre Renaissance-Kostüme besonders prachtvoll heraus. Martin Donner, ebenfalls ein langjähriger Weggefährte Spucks, hat einen erstaunlichen Soundtrack aus gesampeltem (und manchmal gemeucheltem) Monteverdi, ein wenig Intellektuellen-Pop und viel elektronischen Klängen abgemischt. Dass Spucks 80-minütige Inszenierung mit dem Hauch einer Ahnung an die französischen Theaterspektakel Ariane Mnouchkines erinnert, liegt vielleicht nur am charmanten Akzent von Marianne Illig, die uns als theatralische Ansagerin die handelnden Personen des „Poppea“-Stücks vorstellt, das hier von einer offensichtlich französischen Theatertruppe aufgeführt wird. Aufgereiht sitzen die Akteure an der Wand, gegenseitig filmen die Tänzer in Großaufnahme ihre Gesichter, Filmeinspielungen ergänzen die Spiel-im-Spiel-Aktionen auf der Bühne.

Sprunghaft und doch zielstrebig folgt die Handlung dem Opernlibretto zu Monteverdis „L’Incoronazione di Poppea“, wo Neros ehrgeizige und skrupellose Geliebte nacheinander alle Gegner aus dem Weg räumt, bis sie schließlich den römischen Kaiser heiratet, der ihr in besessener Liebe verfallen ist. Garazi Perez Oloriz spielt diese Poppea als männermordende Hure voll Machtgier, klein, raffiniert
und dabei von solch enigmatischer Ausstrahlung, dass wir bald die Faszination des römischen Despoten für sie teilen. Eric Gauthier, der mit einem güldenen Lorbeerkranz zunächst arg harmlos über die Bühne irrt, entwickelt seinen Nero zu einer hochspannenden Groteske: mit wählerisch gespitzten Fingerchen windet er sich brandgefährlich an der Grenze zum Wahnsinn entlang und brüllt alles nieder, was ihm in den Weg kommt. Hinter dem flapsigen Alleinunterhalter Gauthier steckt ein großartiger Tänzer und Darsteller, wie schön dass Christian Spuck uns daran erinnert.

Zwei der Poppea-Opfer schickt der Choreograf erst in ein langsames, nachdenkliches Duo, dann per Filmeinspielung ins Wasser – als Neros Frau zieht sich Isabelle Pollet-Villard in stiller Größe zurück, das Blut des Philosophen Seneca (William Moragas) ergießt sich in surreal schönen roten Wolken. Immer wieder finden aber sich dazwischen alle Tänzer zu großen Ensembleszenen, in denen Spuck vertikale Reihen gegen diagonale Linien stellt, immer wieder fallen dem Hauschoreografen des Stuttgarter Balletts berückende Bilder ein – die groteske Pantomime etwa, in der Poppea von der ganzen Gruppe mit einem großen Pfeil ermordet werden soll, oder die Stafetten-artige Reihe, wo Bewegungen wie in einer dumpfen La-Ola-Welle am Tisch entlang durchgegeben werden. Nero bläst Seneca im wahrsten Sinn des Wortes das Licht aus, bevor Spiel und Theaterwirklichkeit plötzlich in eins fallen und der despotische Nero sich als despotischer Chef der Theatertruppe entpuppt, alle anschreit und hinausjagt. Zu Monteverdis berühmtem Schlussduett „Pur ti miro“ feiert ein Pas de deux für Nero und Poppea dann den endgültigen Triumph – nicht unbedingt der Liebe, eher der Besessenheit.

Wie stark Christian Spucks Bilder allerdings an frühere Stücke erinnern, das muss wohl jeder für sich selbst entscheiden - da schimmert bei der Jagd über die Tische seine „Lulu“ durch und beim verwirrten Nero der König aus „Leonce und Lena“. Wenn Martin Donner seine elektronischen Schläge à la Thom Willems donnern lässt, dann sieht man William Forsythes „Impressing the Czar“ mit den historischen Kostümen und grotesken Szenen vor sich. Der Vergleich mit diesem über 20 Jahre alten Stück erinnert mit kleinen Nadelstichen daran, dass Christian Spuck als Choreograf auch hier nichts Neues erfunden hat, dass sein Bewegungsvokabular immer wieder hinter der theatralischen Begabung zurücksteht. Die windmühlenartig kreisenden Arme, die nach hinten hinausgestoßene Arabesque, die aus der vertikale gekippte und von mehreren Männern gehaltene Frau, das eingefrorene Laufen mit abgewinkelten Knien und Füßen, das Durchs-Knie-Fassen, all diese bekannten Elemente seiner Sprache setzt er einfach immer wieder anders zusammen, durchaus mit neuen Elementen aufgepeppt, aber eher beflissen als elegant. Ob das für sein zukünftiges Wirken als Züricher Ballettchef reicht, sei dahingestellt; im Theaterhaus reicht es für einen Abend, der Gauthier und seine Kompanie künstlerisch auf das Niveau ihres Eröffnungsprogramms zurückhebt.
Angela Reinhard, tanznetz.de

EIN LUDER BOXT SICH NACH OBEN
Christian Spuck verpasst der Truppe Gauthier Dance mit "Poppea/Poppea" das erste abendfüllende Handlungsballett. Jubel im Theaterhaus.

Zuvor hatte Spuck, der als Choreograph am Stuttgarter Ballett groß wurde und demnächst das Zürcher Ballett übernimmt, der Tanzsparte des Stuttgarter Theaterhauses mit "Don Q." ein witziges Generationenduett spendiert. Altstar Egon Madsen und Dance-Chef Eric Gauthier durften sich austoben.

Wenn sich "Gauthier Dance" inzwischen längst in der Tanzhochburg Stuttgart verankert hat, liegt das eben auch an solchen Freundesgaben. Bezeichnend, dass Spuck dieses ambitionierte Stück nicht am Staatstheater (oder später in Zürich), sondern droben auf dem Pragsattel einrichtet.

Spuck ist vielleicht der abgründigste Seelensucher unter den jüngeren Choreographen, der vieles düster eingefärbt. So findet er auch in "Poppea/Poppea" betörend-verstörende Bilder in einer Dunkelkammer mit wenig Lichtblick. Im Mittelpunkt: Die machtversessene Mätresse Poppea, die den Palastneuroriker Nero hübsch um den Finger wickelt und sich so nach oben boxt.

Vor elf Jahren erzählte schon Jossi Wielers Stuttgarter Version der Monteverdi-Oper "L"incoronazione di Poppea" von diesem shakespeareschen Macht-Clinch. Spucks Tanzfassung schließt daran offenkundig an. Poppea ist mit der Tänzerin Garazi Perez Oloriz ein lüstern-unschuldiges Matratzen-Luder, das ihre Reize vor diesem Abgrund an spätrömischer Dekadenz entschlossen in Stellung bringt. Streckt sie den Arm aus, spritzen gleich die Herren herbei, um sie anschließend auf Händen zu tragen. Sie ist von Anfang an die (un)heimliche Herrscherin. Eric Gauthier wiederum zuckt als Nero über die Bühne: Im wachsenden Wahnsinn nicht so methodisch wie Peter Ustinov in "Quo vadis", aber doch eindrucksvoll. Nero schreitet, Nero schreit: Spuck entfernt sich teils vom reinen Tanz, lässt sogar das Medium Film auf der Bühne teilhaben, um mit einem gut eingestellten Ensemble, mit verblüffenden Wendungen und Windungen, doch immer wieder zurückzukehren zum Ausgangspunkt.

Die Musik ist ein Pultmischmasch aus verwerteten Monteverdi-Resten, dem traumverloren-spillerigen Motiv aus Schumanns Klavierstücken op. 82 und aus manch anderem. Mitunter wie ein Störmanöver, als würde sich das Vinyl einer Schallplatte in der allgemeinen Hitze auflösen. Auch dies ein kalkulierter Albtraum - aber wie der ganze Abend ein durchaus gelungener.
Wilhelm Triebold, Südwest Presse 3.7.2010

TANZSTÜCK POPPEA//POPPEA
Pur ti miro" - "Nur dich sehen", singen Kaiser Nero und seine Geliebte am Ende von Claudio Monteverdis Oper "L"incoronazione di Poppea", und der Komponist schenkt dem Paar eine Musik voller Reinheit und Schönheit.

So muss wohl die Liebe klingen. Könnte man denken, wenn man nicht wüsste, dass diese Liebe auf drei Säulen steht, die Betrug, Verrat und Mord heißen. Es ist genau dieser unauflösliche zynische, alle Werte pervertierende Widerspruch, der den Choreografen Christian Spuck gereizt hat, Monteverdis Oper als szenisches Gerüst für sein Tanzstück "Poppea/Poppea" zu nutzen.

Entworfen hat er es für das junge, neunköpfige Ensemble des Tänzers Eric Gauthier. Mit dem Kanadier hat er schon häufiger am Stuttgarter Staatsballett gearbeitet, die Choreografie für die Company Gauthier Dance ist hingegen eine echte Premiere.

Das Stück, dessen Uraufführung im Stammsitz des Ensembles, dem Theaterhaus Stuttgart, vom Publikum heftig umjubelt wurde, ist bereits am kommenden Freitag auch an der als Koproduzentin beteiligten Bonner Oper zu sehen. Die von Ausstatterin Emma Ryott entworfenen, dunklen Kostüme zitieren Monteverdis Jahrhundert.

In halblangen Hosen steht Nero da, und mit einem Jackett, dessen Revers in eine renaissancehafte Halskrause übergeht. Auf dem Haupt trägt er einen goldenen Lorbeerkranz. "Das ist Nero. Mächtiger Kaiser Roms", stellt ihn eine Stimme vor.

Das Gelächter im Publikum ist eine Reaktion auf die in ironischem Widerspruch dazu stehende jungenhafte Erscheinung des 33-jährigen Eric Gauthier, der den Kaiser tanzt. Solche Brechungen geben dem Stück eine ganz eigene Dynamik.

Ein Glanzstück in dieser Beziehung ist die Inszenierung des missglückten Mordanschlags Ottones (Giuseppe Spota) auf seine untreue Geliebte PoppeaGrazi Perez Oloriz), den er auf Geheiß von Neros Gattin Ottavia in Frauenkleidern ausführt.

Immer wieder nähern sich Ottone und Gefolge der Schlafenden, bewaffnet mit einem Pfeil, der mehr an Amors Waffe als an ein Mordwerkzeug erinnert. Doch solche, ans Parodistische grenzende Einschübe nehmen dem Stück nicht seinen Ernst.

Es gibt großartige Soli, berührende Duette und Ensembleszenen, die virtuos getanzt sind, wobei Christian Spuck für die Choreografien ein sehr originäres Bewegungsrepertoire zur Verfügung steht, das elegant sein kann, aber eben auch sehr schnell, eckig und kraftraubend.

Dass er darüber hinaus noch per Live-Cam und vorproduzierten Einspielern das Medium Video benutzt, ist zwar für sich genommen nicht mehr sehr originell, aber er setzt es sehr schlüssig ein, etwa mit einer Großaufnahme des regungslosen Gesichts der am Boden liegenden Poppea oder dem durch Nero erzwungenen Selbstmord Senecas, der sich in einem Wasserbassin die Pulsadern aufschneidet.

Von der Musik Monteverdis, die nach einem Schumann-Vorspiel anfangs aus den Lautsprechern kommt, muss der Zuhörer sich allerdings bald trennen. Der Musiker Martin Donner greift sie für eigene Kompositionen und Klangcollagen auf, scratcht sie, ergänzt sie durch eigene, oftmals metallisch harte, perkussive Elemente, die noch durch Songs von Emiliana Torrini und Cat Power ergänzt werden - eine Soundcollage, die Spuck wunderbar in Bewegung übersetzt.
Bernhard Hartmann, Bonner Generalanzeiger 3.7.2010

VERFÜHRUNG AUF MEHREREN EBENEN
Tische, Stühle, eine Videokamera – mehr Requisiten benötigt Christian Spuck, der designierte Zürcher Ballett-Direktor und Noch-Hauschoreograph des Stuttgart Balletts, nicht für seinen pausenlosen 80-Minuten-Gang durch die berühmt berüchtigten und über Leichen gehenden Liebeseskapaden des römischen Kaisers Nero. Claudio Monteverdi hat diesem Stoff in seiner letzten Oper ein Denkmal und einen frühen musikalischen Höhepunkt des damals noch jungen Musiktheaters geschaffen. Diese bildet zwar die Grundlage Und Inspiration, jedoch nur zu geringen Teilen (Prolog, Schlußduett) im Original, hauptsächlich zur elektronischen Verarbeitung, zum Sampeln von Monteverdi-Zitaten, die Martin Donner teils in Pop-, teils in Klassik-Manier komponiert hat. Was allerdings eine etwas zerrissene dramaturgische Form zur Folge hat, vor allem auch dann, wenn die Musik immer mal wieder mitten in einer Phrase absäuft. Doch solche Erscheinungen gehören zu Spucks mehrere Medien einbeziehender Arbeitsweise, wobei ihm Dramaturgin Dunja Funke hilfreich assistierte. Für Orientierung sorgen hier vor allem die historisch angemessenen Renaissance-Kostüme (ebenso wie Bühne: Emma Ryott ) und die erläuternden Worte einer eingefügten Erzählerin, die sich dazwischen auch unter das Tanzensemble mischt und somit das Wechselspiel aus Realität und Theaterspiel unterstreicht. Marianne Illig gelingt diese Führung mit bezauberndem französischem Akzent und gelegentlich leicht ironisierendem Tonfall. Die Geschichte konzentriert sich ganz auf die sechs Hauptpersonen und ihre Verstrickung in die zerstörerische Macht der Liebe, ausgehend von Poppeas Reizen und ihrer Gier nach der Krone, die wie ein magisches Symbol auf einem der Tische liegt.

Mit der Video-Kamera werden Nahaufnahmen der Gesichter auf einen im Vordergrund hängenden Schirm projiziert, was einerseits die personellen Emotionen und Reaktionen noch verdichtend an uns heranrückt, andererseits in ihrer Gleichzeitigkeit mit dem gesamtheitlichen Geschehen aber auch für eine erschwerte Erfassung des Ganzen sorgt. Die Lust am Spiel mit mehreren Blickwinkeln ist deutlich zu spüren, doch im gesamten gelingt Spuck die Verquickung der Darstellungsmittel hier nicht so virtuos wie in seiner bislang unerreicht gebliebenen „Lulu“. Seine markant erscheinenden Bewegungsformen erinnern nicht nur da, auch in seinem übrigen Oeuvre an abstrakten Arbeiten, unweigerlich immer wieder an diesen größten Erfolg. Der sportliche Drive des klassisch initiierten Schrittmaterials, die über große Spannen im Fluss gehaltene Aktion der Tänzer, die noch erweiterte Variation an Hebungen der Damen zur Stärkung der Interaktion halten diese 80 Minuten in einer ausgewogenen Balance zwischen intellektuellem Anstrich und unterhaltender Funktion. Und sie sind ein Geschenk an Eric Gauthier, den ehemaligen Kollegen vom Stuttgarter Ballett, und seine kleine Kompanie an ausgesucht individuellen Persönlichkeiten, die hier mehr als im fast kompletten bisherigen Repertoire ihr Potential ausschöpfen können und diese Produktion trotz aller Einschränkungen nicht nur zu einem Tanz-, sondern auch zu einem schauspielerischen Erlebnis machen.

Für Gauthier selbst hat Spuck den Nero choreographiert und dem meist von treffsicherer Komik geprägten Künstler eine Charakterrolle geschaffen, deren Verbindung aus Ernsthaftigkeit und eher zynisch durchbrechendem Humor den Publikumsliebling in ein verdient anders wahrgenommenes Bewusstsein rücken. So lernten diejenigen, die ihn vom Stuttgarter Ballett her noch nicht kannten, ihn auch mal von einer anderen, letztlich sein breites Können unterstreichenden Seite kennen.

Garazi Peréz-Oloriz stand als Berechnung und Unschuld differenziert zum Ausdruck bringende Poppea im Mittelpunkt des Geschehens, ihre geschmeidig wandlungsvolle Körpersprache bewirkte bei allen Beteiligten einen unwiderstehlichen Sog aus Faszination und Mordlust. Letztere manifestiert sich in einem spannend aufgebauten Tableau, wo sich das ganze Ensemble mit einem Pfeil auf sie stürzt und in einem von Schreien und Schrecken gezeichneten Moment zum Standbild verharrt.

Die Königin Ottavia wird von Isabelle Pollet-Villard mit nicht minder starken Zügen zur gleichwertigen Gegenspielerin. Eine Aura der Verletzlichkeit, des stillen Leidens und einer gleichzeitig spürbaren inneren wehrhaften Stärke liegt über ihren Einsätzen.

Handlungsgemäss die vierte Hauptrolle, rückt Giuseppe Spota den zuletzt in die Verbannung geschickten Ottone mit seinem bemerkenswerten Charisma aus Charaktertragik und Sympathie in den Mittelpunkt und erhält dafür die größten Ovationen des Abends. Den auf Recht und Tugend beharrenden und dafür schließlich zum Selbstmord getriebenen Philosophen Seneca zeichnet William Moragas mit aufrechter Größe und geordneter klarer Linie. Selbst die um Ottone kämpfende Drusilla, in deren Kleidern er versucht Poppea zu ermorden, erhält in der zurückhaltenden, aber dennoch entscheidende Nuancen setzenden Gestaltung durch Maria Deller-Takemura keineswegs verblassende Bühnenwirksamkeit.

Auch die weiteren Tänzer des Ensembles, Armando Braswell und Björn Helget kommen in ihren wechselnd auffüllenden Parts als Individuen zur Geltung.

Die insgesamt eine wichtige choreographische Bereicherung darstellende Produktion geriet zum anhaltend stürmisch bejubelten Erfolg. Mit hoffentlich vielen Reprisen….
Udo Klebes, Der Neue Merker 5.7.2010

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