GAUTHIER DANCE//DANCE COMPANY THEATERHAUS STUTTGART
PRESSESTIMMEN
AUF DEN SPUREN EINES ZERBRECHENDEN TÄNZERS
Goecke gelingt ein grandioses Kunststück der intensiven Andeutung. Er transportiert Anekdotisches, aber auch Abstraktes.
Manuel Brug, Die Welt 12.7.2016
WENIGER IST MEHR: TANZKUNST IN VOLLENDUNG
Die Bühnenflanken schwarz verhangen, der Boden weiß schimmernd, ansonsten: Leere. Später wird dieser Schwarz-Weiß-Kosmos von einem Lichtblitz erhellt, mal wird es rote Blütenblätter regnen, mal ein einsamer Sessel darauf platziert. Die meiste Zeit aber bleibt er eine Brache, die mit nichts anderem als reiner, vollendeter, fesselnder und betörender Tanzkunst gefüllt wird.
Meisterhaft beherrscht der 44-jährige Choreograf das Wechselspiel von Bewegungsfülle und Leere, von Tempo und Verlangsamung; dazwischen platziert er sparsame - und deshalb umso beredtere – pantomimische Gesten: Eine Hand an der Wange erzählt von Mutterliebe; Diaghilews spielende Finger auf Nijinskys Brust künden von Besitzanspruch.
Und immer wieder betörende Bilder, an denen man sich nicht sattsehen kann. Etwa wenn Nijinski, nachdem sich das „Wesen der Verdunklung“ (Anna Süheyla Harms) seiner bemächtigt hat, seinem Arzt (Alessio Marchini) gegenübersteht und dieser jede seiner Bewegungen wie ein Spiegel dupliziert, eine Anspielung an seine Rolle als Narziss.
Am Schluss lässt Goecke den Schizophrenen Kreise auf den Boden malen, tatsächlich hat Nijinsky während seiner Krankheit solche Zeichnungen hervorgebracht. Seine letzte Geste ist so pur und klar wie das ganze Stück: eine Verneigung. Die eines großen Tänzers vor dem Publikum wie vor seinem Leben. Und die eines großen Choreografen vor seiner Kunst.
Ulla Hanselmann, Stuttgarter Zeitung 20.6.2016
VERBEUGUNG VOR DER KUNST
Dass der Haus-Choreograf des Stuttgarter Balletts sein drittes abendfüllendes Stück gerade für Gauthier Dance realisiert, erweist sich als Glücksfall. Kein Kulissenzauber, kein Requisitenreigen, kein Kostümfest – Reduktion statt Staatstheater-Opulenz: 80 Minuten lang verlässt sich dieser „Nijinski“ ausschließlich auf den Tanz, wenn er sich in drei Teilen mit jeweils drei Bildern auf die Spuren einer Legende begibt.
Großen Jubel gab’s vom Premierenpublikum.
Andrea Kachelriess, Stuttgarter Nachrichten 20.6.2016
ATEMLOS LEBEN
Doch bei ‚Nijinski’ achtet Marco Goecke mehr auf harmonischen Bewegungsfluss als sonst, fügt immer wieder akademische Ballettposen ein. Dank der beredten Hände und Arme erweist sich sein Tanzidiom mehr denn je als kluges erzählerisches Mittel und schafft dabei enormes, nämlich eine Verschmelzung mit dem damals revolutionären Stil Nijinskis als Tänzer und Choreograf. Und dies mit dem subjektiv-distanzierten, sehr heutigen Blick – voller Verehrung. Frenetischer Jubel.
Eva-Elisabeth Fischer, Süddeutsche Zeitung 20.6.2016
ZWISCHEN GENIE UND WAHNSINN: MARCO GOECKES „NIJINSKI“ ALS HOMMAGE AN DEN TANZ
Goecke reichen kurze Exkurse, um Nijinskis spätere eigene Choreographien anzudeuten: Ein Clownskragen verweist auf seinen Petruschka, eine müde im Sessel ruhende Tänzerin auf sein „Spectre de la rose“, handgreifliche Sexualität auf seinen „Nachmittag eines Fauns“. Schon in den Szenen von Nijinskis Ausbildung bricht der junge Tänzer in Goeckes Choreographie immer wieder aus den Konventionen aus, zeigt Ansätze zu einer Ausdruckskraft, die die spätere Modernität seines Tanzes ahnen lassen, denn eigentlich ist das Thema von Goeckes Ballett nicht (nur) Nijinski, der vergötterte Tanzstar zu Beginn des 20. Jahrhunderts, sondern der Aufbruch des Balletts in die Moderne. Goecke, der Schöpfer einer eigenständigen modernen choreographischen Sprache, widmet dieses Ballett letztlich seiner Kunst ganz allgemein.
Was sein Nijinski hier auf die Bühne bringt, ist die Geburt eines neuen ästhetischen Phänomens, von Rosario Guerra in jedem Detail furios verkörpert. Goecke fordert ihm Höchstleistung ab – tänzerisch, körperlich und psychisch -, und Guerra setzt sie mit traumwandlerischer Sicherheit um. Das gilt für alle Tänzer der Gauthier Dance Company.
Vor allem aber fasziniert Goecke mit seinen schwerelos, traumhaft wirkenden Übergängen von biographischer Erzählung zu symbolischer Verdichtung.
Goeckes Nijinski-Choreographie lotet die unterschiedlichsten Aspekte des Tanzes im engeren Sinn und der künstlerischen Kreativität im Allgemeinen aus. Er hat in den rund fünfzehn Jahren als Choreograph viele Preziosen für das Tanztheater kreiert, mit „Nijinski“ hat er ein in jeder Hinsicht großes Meisterwerk geschaffen.
Kulturblog Rainer Zerbst 20.6.2016
DAS DUNKLE ETWAS TANZT MIT
Trotz aller Geschwindigkeit muss der Gesten-Taumel dieses Choreografen klare, messerscharfe Kanten haben. Das insgesamt 16-köpfige Gauthier Dance zeigt sich dem aufs Beste gewachsen. In seiner neunten Saison wird das Ensemble zuletzt gefeiert wie ein Popstar. Und für Marco Goecke fliegen Blumen auf die Bühne.
Sylvia Staude, Frankfurter Rundschau 20.6.2016
FASZINATION EINES TÄNZERLEBENS
Alles, was Marco Goeckes Tanzsprache so faszinierend macht, ist in diesem Stück enthalten, die 16-köpfige Compagnie tanzt die komplexen Schritt- und Bewegungsfolgen bravourös, und dem Choreografen gelingt es, mit minimalsten szenischen Mitteln ein spannendes Portrait des genialen, tragikumwitterten russischen Tänzers zu entwickeln.
Dietholf Zerweck, Ludwigsburger Kreiszeitung 20.6.2016
NAH AM WAHNSINN
Die beiden Klavierkonzerte von Chopin mit ihren fließenden Melodien in den langsamen Sätzen und den schwungvollen Tanzpassagen, sowie das „Vorspiel zum Nachmittag eines Fauns“ von Debussy und ein russischer Frauenchor geben Goecke die klingende Grundlage. Trotz aller Andersartigkeit der Bewegungen im Vergleich zum Charakter der Musik ist Goeckes Tanzsprache durch und durch musikalisch geformt.
Die Tänzerinnen und Tänzer der Gauthier Dance Company, allen voran Rosario Guerra als Nijinski und David Rodriguez als Diaghilew, tauchen tief ein in Goeckes zitternde und zuckende Körpersprache. Auf dem klar umgrenzten Bühnenraum genügen der Bühnen- und Kostümbildnerin Michaela Springer wenige charakterisierende Andeutungen. Lang andauernder Beifall, ein Arm voll weißer, langstieliger Rosen für Goecke und ein intensiver Gedankenaustausch im Foyer beendeten diesen außergewöhnlichen Abend.
Katharina von Glasenapp, Schwäbische Zeitung 20.6.2016
ZERREISSPROBE ZWISCHEN KUNST UND LEBEN
Nijinsky war ein Ausnahmetalent – ein hoher Anspruch an Rosario Guerra in der Titelrolle. Marco Goecke gibt ihm Gelegenheit, zu glänzen, und noch mehr Gelegenheiten, sich spektakulär innerlich zu zerreißen.
Isabelle von Neumann-Cosel, Tanznetz 20.6.2016
VOM RUHM IN DEN WAHNSINN
Nijinski, den exzentrischen Bruder im Geiste, hat sich Marco Goecke zum Thema seines dritten Handlungsballetts erwählt, das Gauthier Dance an die vorderste Front des modernen Ballets katapultiert.
Angela Reinhardt, Esslinger Zeitung 20.6.2016
GOTTES GAUKLER UND GRÜBLER
Um es gleich zu sagen: So präsent, ja perfekt hat man die hier 16- köpfige Gauthier-Truppe noch nie gesehen. Ein Triumph, dem man den Kraftakt eines solchen Unternehmens im relativ überschaubar ausgestatteten Theaterhaus kaum anmerkt. Entsprechend groß war hinterher der verdiente Jubel.
Wilhelm Triebold, Südwestpresse 20.6.2016
ERREGENDE DARSTELLUNG EINER TRAGISCHEN KARRIERE
Das 90-minütige Werk ist dem Gauthier-Dance-Ensemble auf den Leib geschneidert. Bei der Uraufführung im Theaterhaus Stuttgart - wie bei der zweiten Vorstellung am Samstag - feiert das Publikum den Stuttgarter "Nijinsky", der vor allem durch technische Perfektion brilliert.
Leonore Welzin, Mannheimer Morgen 20.6.2016
KUNST UND WAHN
Begeisterter Applaus des Premierenpublikums für eine in der Tat charakteristische und hochemotionale Künstlerbiographie.
Bettina Weber, Die Deutsche Bühne