GAUTHIER DANCE//DANCE COMPANY THEATERHAUS STUTTGART
REPERTOIRE
CHOREOGRAPHIEN VON | CAYETANO SOTO, WILLIAM FORSYTHE, MARCO GOECKE, ERIC GAUTHIER, OHAD NAHARIN |
BALLETTMEISTER*IN | LOUISA RACHEDI, LUIS EDUARDO SAYAGO |
PRODUKTIONSLEITUNG | ALEXANDRA BRENK |
COMPANY COACH | EGON MADSEN |
URAUFFÜHRUNG | 27.6.2019 |
DAUER DER VORSTELLUNG | CA 120 MIN INKLUSIVE EINER PAUSE |
Wer angesichts des augenzwinkernden Stücktitels an einen opulenten Ballettabend denkt, liegt allerdings falsch. Ergänzt durch zwei länger nicht gezeigte Lieblingsstücke aus dem Gauthier Dance-Repertoire, feiert Classy Classics Meisterstücke des zeitgenössischen Tanzes.
Wer Ballettmoderne sagt, kommt an William Forsythe nicht vorbei: Sein beeindruckendes Œuvre verleiht dem zeitgenössischen Tanz seit mehreren Jahrzehnten Eleganz und klare Linie. Das Herman Schmerman Duet ist dennoch der beste Beweis dafür, wie viel Leichtigkeit und Humor in Forsythes souveränen, fast mathematisch strukturierten Arbeiten steckt. Eine Tänzerin auf Spitzenschuhen und ihr männlicher Partner scheinen anfangs alle Erwartungen an einen neoklassischen Pas de deux zu erfüllen. Doch Forsythe braucht nur wenige Minuten, um die bekannten Muster ironisch zu durchbrechen und die Geschichte einer sehr heutigen Beziehung zu erzählen. Spöttisch, lässig – und unglaublich virtuos. Das Herman Schmerman Duet galt als eine der Paraderollen der großen Sylvie Guillem und ist vielleicht deshalb mittlerweile kaum noch auf den Tanzbühnen weltweit zu sehen. Dass Forsythe grünes Licht für Gauthier Dance gab, darf die Company zu Recht als Ritterschlag betrachten …
Nach mehreren, für beide Seiten bereichernden Kollaborationen ist Marco Goecke Gauthier Dance seit Januar 2019 als Artist-in-Residence verbunden. Klar, dass der weltweit gefragte Choreograph bei den Classy Classics nicht fehlen darf. Vertreten ist er mit der Produktion, die seinen Durchbruch markierte und seine unverwechselbar vibrierende Handschrift einem breiten Publikum bekannt machte. Im Gefüge des Abends vertritt Äffi nicht nur die Solo-Position. Es ist auch eine ausgesprochen selbstbewusste Wahl. Schließlich verlangt das atemlose Stück zu Musik von Johnny Cash seinem Performer tänzerische Höchstleistungen ab, technisch wie emotional.
DECADANCE wiederum ist die ultimative Wundertüte. Kein Stück, sondern ein sich ständig veränderndes work-in-progress. Wie bei einem Kaleidoskop stellt Ohad Naharin für jede Stadt, für jede Company eine neue Version zusammen, allesamt Auszüge aus seinen bisherigen Arbeiten. Und das sind eine ganze Menge seit der Urfassung aus dem Jahr 2000. Nun gibt es DECADANCE auch für Stuttgart! Ein Zeichen der Verbundenheit, das kein Zufall ist. Denn der Hauschoreograph der Batsheva Dance Company und weltberühmte Schöpfer der Gaga-Methode konnte sich nun das dritte Mal direkt vor Ort von der tänzerischen Qualität überzeugen, mit der Gauthier Dance seine Werke interpretiert. Nach Kamuyot und Minus 16 bei den beiden ersten Festival-Ausgaben 2015 und 2017 setzte DECADANCE die Ohad Naharin-Tradition von COLOURS fort.
Volle Attacke: Malasangre pustet sein Publikum durch wie ein Wirbelsturm. In kurze Röcke gekleidet, die Hände zu Krallen geformt, fegen die Tänzerinnen und Tänzer nur so über die mit schwarzen Stoffschmetterlingen bedeckte Bühne. Cayetano Sotos tief empfundene Hommage an die kubanische Sängerin La Lupe zeigt die Dunkelheit einer gequälten Seele – und schafft es, diese Zerrissenheit zur Quelle der größtmöglichen Energie zu machen. In Kombination mit der strahlenden Musik der Queen of Latin Soul wird daraus eine exzentrische, fiebrige Revue, die es ihrem Publikum buchstäblich schwer macht, sitzen zu bleiben. Uraufgeführt als Teil des Ballettabends Future 6 von 2013, war es höchste Zeit für eine Wiederbegegnung.
Noch weiter zurück lag die Uraufführung der vom Publikum heiß geliebten Miniaturkomödie Orchestra of Wolves aus dem Jahr 2009. Heute unvorstellbar: Eric Gauthier kreierte den humorvollen Showdown zwischen einem Dirigenten und seinem Orchester für sein damals nur achtköpfiges (!) Ensemble. Zu den pochenden Klängen aus dem bekannten ersten Satz aus Beethovens 5. „Schicksalssinfonie“ ziehen die Musiker in Wolfsmasken immer engere Kreise um ihren Chef…