zur Startseite

goto homepage (ecotopia dance productions: press clippings Nederlands Dans Theater - NDT 2 - tour 2013)

NEDERLANDS DANS THEATER - NDT 2

PRESS CLIPPINGS

BRILLIANTER TANZ AUS DEN NIEDERLANDEN
(...) Wer sich auf den Weg gemacht hatte, erlebte am Wochenende im Theater Winterthur einen grossartigen Tanzabend. Die Compagnie, die seit einem Jahr vom Briten Paul Lightfoot geführt wird, ist in hervorragender Form. Und die Stücke sind von bestechender Brillanz. Drei davon stammen von Sol León und Paul Lightfoot, deren choreografische Handschrift nun das NDT prägt. Die beiden waren während langer Zeit Tänzer unter Jiří Kyliáns Leitung und gehören zu den begabtesten Schülern des berühmten tschechischen Choreografen.
Timing und Eleganz
Dessen Einfluss ist denn auch nach wie vor unverkennbar: Musikalität, exaktes Timing, Bewegung aus der Körpermitte heraus, Eleganz – das zeichnet die drei Stücke aus. In «Studio 2» von 2009 zu «Tabula rasa» von Arvo Pärt gehen Menschen wieder und wieder über eine Anhöhe ins Niemandsland und kommen über den Berg wieder zurück. Ein Spiegel schwebt, gewissermassen als Damoklesschwert, über der Gruppe. Und es dauert lange, bis das Geschehen tatsächlich gespiegelt wird.
In «Subject to Change» von 2003 trifft ein Mann auf eine junge Frau in Weiss – zu Schuberts Streichquartett «Der Tod und das Mädchen». Vier Männer in schwarzen Anzügen legen einen Teppich aus, darauf spielt sich die Auseinandersetzung zwischen dem Mädchen und dem Tod ab, während die Männer wieder und wieder versuchen, der Frau den Boden unter den Füssen wegzuziehen. Das ist spannend und sehr gut getanzt. Unverständlich bleibt, warum León/Lightfoot nicht mit Schuberts Quartett, sondern Gustav Mahlers Bearbeitung für Streichorchester gearbeitet haben. So werden die ohnehin schon illustrativ gehaltenen Tänze unnötig dramatisch aufgeblasen und die eigentlich wunderschönen Bewegungen der Musik unterworfen.
Das Problem zeigt sich immer wieder in Stücken des britisch-spanischen Künstlerpaars, und das ist es auch, was sie von ihrem Meister Jiří Kylián unterscheidet: Ihre Bewegungen folgen zu sehr dem Gang der Musik. Auch in «Shutters Shut» aus dem Jahr 2003 folgt auf jede Silbe von Gertrude Steins Gedicht «If I Told Him. A Completed Portrait of Picasso» eine Bewegung. Doch was hier witzig und spritzig daherkommt, wirkt zu Schubert schnell einmal banal.
Keine erlösende Ankunft
Den fulminanten Schlusspunkt setzte in Winterthur «Maybe Two» des jungen Schweden Alexander Ekman. Es ist dies ein Stück über Beziehungen und solche, die es werden möchten. Rasant geht das vom ersten Flirt zur Scheidung. Und es geht immer wieder von neuem los. Rastlos eilen die fünfzehn Tänzerinnen und Tänzer zu Musik von Ravel, Mendelssohn, Jan Pieter Koch und Bon Iver durch Berg und Tal der Liebe. Und sie kommen nie an.
Lilo Weber, NZZ, 13.5.2013

BEWEGUNG INS OFFENE
Das Nederlands Dans Theater 2 zeigte im Theater Winterthur ein vierteiliges Programm mit Stücken von Ligthfoot/León und Ekman und erzeilte beim Applausmesser wohl ein hervorragendes Resultat.

Während die Haupttruppe des Nederlands Dans Theater (NDT) vorwiegend in Holland auftritt, ist das NDT 2 öfters auf Tourneen im Ausland. Und die Junioren zwischen 17 und 22 beherrschen den formalen Tanz ebenso überlegen wie das theatralische Rollenspiel.
Die Nachwuchstruppe meisterte die technischen Anforderungen der drei klein besetzten Choreografien von Sol León und Paul Lightfoot sehr gut und begeisterte mit pontierter Dramatik im kürzlich uraufgeführten Werk von Alexander Ekman.

Sol León und Paul Lightfoot sind seit Ende der 80er Jahre Mitglieder des NDT, zuerst nur als Tänzer, aber bald auch als Choreografen-Duo. Seit 2011 ist Lightfoot der künstlerische Leiter der Kompanie, seine Partnerin seit 2012 auch offiziell seine Beraterin. Ihr gemeinsames Oeuvre umfasst rund 45 Stücke. „ Studio 2“ entstand 2009 zum 50-Jahr-jubiläum des NDT. Es ist der Ort, wo neue Tanzwerke geschaffen wurden und werden. Folglich sind choreografische Schaffensprozesse das Material für das abstrakte Stück. Ein grosser beweglicher Spiegel verbreitet Ballettsaal-Ambiente und erweitert ab und zu die frontale Sicht durch Einblicke von oben und hinten. Gezeigt wird eine Arbeit an abstrakten Bewegungsformen, die distanziert bleibt und nicht auf eine inhaltliche Deutung aus ist. Zur Musik von Arvo Pärt sucht und findet das Tanzen nur selten und für kurze Momente eine direkte Verbindung.

Klar und eindeutig von äusseren Impulsen ist das vierminütige „Shutters Shut“ von 2003 bestimmt. Der Sprachrhytmus von Gertrude Steins Gedicht „If I Told Him“. A Completed Portrait of Picasso“ erzeugt durch eine Rezitation der Autorin eine Staccato-artige, unwiderstehlich vorwärtstreibende Bewegungsfolge. Sol León und Paul Lightfoot setzen sehr wenig Bewegungsmaterial ein, kombinieren die Elemente aber immer wieder anders und gewinnen aus den Widerholungen des Gleichen sowie den subtilen oder ins Auge springenden Veränderungen und Erweiterungen eine große Vielfalt. Devi Selly und Quentin Roger tanzen die dichte, anspruchsvolle Choreografie grossartig präzise und völlig locker.
Auch „Subject to Change“ aus dem gleichen Jahr ist abstrakt. Szenisch wird jedoch irgendwie Bedeutungsvolles eingeleitet, und der Bewegungsduktus wirkt durchwegs betont angespannt und energiegeladen. Trotzdem lässt sich – im Gegensatz zum tänzerischen Äquivalent des textes von vorher – die Choreografie für ein junges paar, vier finstere Männer und einen roten teppich nicht auf Franz Schuberts „Der Tod und das Mädchen“ in der Fassung für Streichorchester von Gustav Mahler ein. Inhaltlich-emotionell bleibt alles im Vagen. Und ein Bezug zwischen Musik und Tanz ergibt sich nur vorübergehend ganz zu Beginn des Stücks und durch rhythmische Akzente in einigen starken Momenten.

Im abschließenden Werk kippt der bisher kühle, unverbindliche Tanzabend in heisse, drastische Theatralik. Alexander Ekmans „Maybe Two“ zu einer wilden Musikcollage handelt von Paarbildungen, grossen Gefühlen und Rollenspiel. Und die ausgepichte Formgebung des Tanzes, der umwerfende Einsatz der Sprache und die Struktur der Szenenfolge mit den krassen Schnitten und Kontrasten zielen auf Expressivität und ihre ironische Brechung.
Mit perfektem Timing inszeniert der junge schwedische Choreograpf, Theatermann, Szenograf und Filmer zärtliche Verliebtheit, grotesken Geschlechterkampf, Innigkeit der Liebe, Sexakrobatik oder den schnellen Weg vom ersten Kuss zum Baby. Unterschiedlichee Tanzformen, Kampfsportarten, freche Wortwechsel und Monologe, Spiel mit Büghnenbild, Licht und Requisiten werden souverän gemixt. Und der grobe Gag findet im Auf und Ab der Zweierkisten ebenso seinen genau kalkulierten Platz wie das stille, einsame Leisen, wenn Beziehungen nicht zustande kommen oder in die Brüche gehen.
Ursula Pellaton, Der Landbote, 13.5.2013

TOTAL ABSURD UND VOR ALLEM WITZIG
Das Nederlands Dans Theater 2 als Nachwuchstruppe des NDT 1 zu bczeichnen, mag zwar in der Sache zutreffen, grenzt aber trotzdem an Beleidigung. Das wird jeder zugeben, der den „Lehrlingen“ bei ihrem Gastspiel in der Bonner Oper zusehen durfte: Wieder einmal tanzte das NDT 2 auf höchstem Niveau und warf die Frage auf, was sie Mitglieder des Ensembles eigentlich noch lernen sollen.

Zum Beispiel in „Studio 2“, einem halbstündigen Stück von Sol León und Paul Lightfoot: Zur Musik von Arvo Pärt verfremden drei Männer und drei Frauen die Probenarbeit im Ballettstudio. Die Choreographiearbeit beginnt zögerlich, verhalten und steigert sich dann zu einem Rausch aufregender Bilder, getanzt unter Starkstrom und in technischer Perfektion. Rastlose Energie wechselt mit Ruhephasen, und alles ist sowohl von vorn als auch von hinten, doppelt und dreifach zu sehen, wenn die von oben herabgesenkte Spiegelwand die Illusion des Ballettstudios perfekt macht.

Am Ende, als die Tänzer wieder zur konventionellen klassischen Pose erstarren, strahlen Scheinwerfer das verdutzte Publikum an, das sich in diesen Sekunden mit seiner eigenen Reflexion im Spiegel konfrontiert sieht. Mag auch die nach außen abgeschirmte Welt des Probenraumes den Zuschauern verschlossen bleiben, ihre Erwartungen und Urteile sind auch bei der Studioarbeit immer präsent.

Es folgen vier fantastische Minuten mit „Shutters Shut“ einer getanzten Interpretation des Gedichts „If I told him: A completed portrait of Picasso“ von Gertrude Stein. Die Dichterin selbst liest ihre 1924 erstmals veröffentlichte rhytmische Aneinanderreihung von Wörtern, die zumindest beim ersten Hören wenig Sinn ergeben. Steins Repetitionen und Satzketten fluten heran und ebben wieder ab: Sprache als Musik, perfekt geeignet für die schnellen, präzisen unsd absolut synchronen Gesten von Meng-Ke Wu und Quentin Roger. Oberkörper, Arme und Gesichtsausdruck des Paares verbinden sich zu einem höchst musikalischen Ballett, das Steins Metrum und Satzmeldodie in jeder Silbe und jedem Akzent folgt. „Shutters Shut“ ist vitrtuos, total absurd und vor allem witzig.

Franz Schuberts „ Tod und das Mädchen“ in Gustav Mahlers Fassung für Streichorchester ist die großartige Klangkulisse für „Subject to Change“. Ein Mädchen und ein junger Mann, dazu vier finstere Gesellen, die den verzweifelt klammernden Pas de deux der beiden mit furcherrregendem Gebrüll und wilden Sprungkombinationen immer wieder unterbrechen, dazu ein großer roter Teppich, der gezogen, gedreht, aufgerollt, ausgerollt und schließlich dem Paar unter den Füßen weggezogen wird: Das ist Leóns und Ligthfoots Interpretation des Todesthemas, das trotz der explosiven Energie der Tänzer teilweise steril daherkommt.

Ganz anders Alexander Ekmanns „Maybe Two“, eine ironische Auseinandersetzung mit den Irrungen und Wirrungen der Liebe. Hier wird der Tanz zum Theater: Brautkleider schweben gen Bühnenhimmel, aus dem wenig später einen Babypuppe in die Arme des glücklichen Paares fällt. Es gibt freche Dialoge, akrobatische Bettszenen und handfeste Auseinandersetzungen, die nach allen Regeln der asiatischen Kampfkunst inzeniert und mit innigen Umarmungen beendet werden. 16 Tänzer des NDT 2 lieben und leiden, flirten und fummeln, was das Zeug hält und zaubern immer neue Knalleffekte aus ihrer Bezieheungskiste. Das Bonner Publikum ist hingerissen.
Gunild Lohmann, General-Anzeiger, Bonn, 3.5. 2013

to the top