SAO PAULO DANCE COMPANY
PRESS CLIPPINGS
EIN JUNGES PUBLIKUM ENTDECKT EIN JUNGES TANZENSEMBLE DEBÜTANTEN AUS SAO PAULO BEGEISTERN IM FESTSPIELHAUS
(…) Ein echter Wurf ist dagegen die dunkle, bedrohlich Kampfszenerie „Os Duplos“ von Mauricio de Oliveira, die zeigt, wie jeder Mensch den anderen als Feind begreift. Hier treten die Tänzer in einer Art Boxring auf, mit urzeitlichen, tierischen Bewegungen zunächst, dann immer militärischer agierend. Die Bewegungen wechseln vom schwankenden, abwartenden Kreiseln und Pendeln zu soldatisch-knappen Übergriffen, bisweilen erinnern die Tanzbilder an surreale Kampfmaschinen. Beleuchtungseffekte und die düstere Musik von Andre Abujamra machen diese 2010 entstandene Choreographie zu einem eindrücklichen Erlebnis.
Mit dem Werk von Balanchine auf dem Programm muss jede Compagnie bekennen, was sie wirklich kann: „Serenade“ des Großmeisters zu Tschaikowkys Musik entstand 1934, Balanchine knüpft darin an die weißen Akte der großen russischen Handlungsballette an, spielt aber mit dieser Thematik. Die Brasilianerinnen – es sind in diesem Werk fast nur Frauen auf der Bühne – meistern alle schwierigen Herausforderungen und erreichen sicher noch die außergewöhnlich fließende Ästhetik, das hochelegante Fluidum, das in diesem Werk liegt.
Mit Jiri Kylíans genialen „Sechs Tänzen“ zu Mozarts Musik verabschiedete sich die Compagnie wirkungsvoll: Der deftige erotische Ton, den Kylían aus Mozarts Briefen auf die Bühne überträgt, wird von den Tänzern lustvoll aufgegriffen. Edler Tanz und pantomimische Faxen lösen sich rasant ab. Die Heiterkeit im Publikum wird durch selbsttätig über die Bühne rauschende Kostüme und puderstäubende Perücken noch gesteigert. Für die junge Companhia de Danca aus Sao Paulo war dieses Debüt im Festspielhaus ein wichtiger Karriereschritt. Und für das Publikum bot sich die einmalige Gelegenheit, eine neue Compagnie zu entdecken.
Sabine Rahner, Badisches Tagblatt, 4.Juli 2011
DER KLASSIK VERPFLICHTET
(...) George Balanchines erstes, 1934 in Amerika entstandenes und später leicht modifiziertes Ballett, „Serenade“, Prüf- und Meilenstein einer klassischen Compagnie, stand im Mittelpunkt des Programms. Die halbstündige Lehrstunde im akademischen Tanz des 19. Jahrhunderts zur Musik von Tschaikowskys Streicherserenade ist immer noch das Musterbeispiel brillanter und fantasievoll arrangierter klassischer Formeln aus dem Geist der Musik. In der Wiedergabe der Sao Paulo Companhia de Danca wirkt „Serenade“ möglicherweise sogar eine Spur pulsierender, vitaler und mitreißender, vielleicht auch eigenwilliger. In den ständig sich neu bildenden Dialogen und Dreier- und Vierergruppen und der pathetischen Schlusspose verströmen die 17 TänzerInnen zwar die Aura traditioneller romantischer Ballette, doch die Perfektion ist nicht wirklich auf die Spitze getrieben, als rieben sich die Akteure am peniblen akademischen Stil, den Balanchine aber selbst schon in prätentiös ausgestellten Posen aushöhlte.
Besser passt der Truppe „Polígono Revisitado“ das der 38-jährige Italiener Alessio Silvestrin 2009 für sie maßschneiderte. Zu Bachs „Musikalischem Opfer“ kann das Ensemble die exzessiv sportive Körperbeherrschung üben, gleichsam einer Übersetzung der Musik in eine unaufwendige Tanzsprache. Sinnliche Zweier- und Dreierszenen, ein sich aufbäumender Streit, der sich wie die Triller und die Läufe der Musik verflüchtigt. Wie Schattenfiguren raffiniert spiegelnde Zweierszenen zeigen wie genau Silvestrin auf Bach zu hören versucht. Wesentlichen Eindruck vermittelt Silvestrins durch Schleier weichgezeichnete Bühne, die mittels dreier wandhoher, von den Tänzern bewegter Paneele und einem Zwischenvorhang in immer neue Räume geteilt wird. Verblüffend gegen Ende die über das Bühnengeschehen gelegten Videosequenzen, die die Figuren aus der Vogelperspektive zeigen, gleichsam als auf Pauspapier gelegte, tanzende Notenzeichen.
Mauricio de Oliveira schuf als aktuelles Stück „Os Duplos“ mit einer wummernd ausdrucksvollen Bollermusik von André Abujamra. „Os Duplos“ (Die Doppelten) erzählt auch von Spiegelungen und Verdopplungen, mehr aber noch von Ausgrenzung und Gruppenverhalten. Im Innern eines Lichtvierecks agieren die in futuristische Ritterkostüme gesteckten Tanzakteure wie martialische Roboter. Die acht Tänzer gestalten hochathletisch, aggressiv und kraftvoll ein böses Rollenspiel mit Außenseitern, das vom Publikum ausgiebig gefeiert wurde. Der Beifall steigerte sich allerdings bei Jiri Kylíans „Sechs Tänze“, einem zehnminütigen Rausschmeißer, bei dem Kylían bereits 1986 heftig den Staub von Mozarts „Sechs deutschen Tänzen“ blies – eine feinsinnige Tanzgroteske, die ausgiebig Gelegenheit zu doppelbödigen Clownerien, Posen, Travestie- und Perückenkünsten und zu subtil austariertem Tanz gibt.
Nikolaus Schmidt, Badische Nachrichten, 4.Juli 2011