SAO PAULO DANCE COMPANY
REPERTOIRE
CHOREOGRAPHIE, BÜHNE, KOSTÜME | MARCO GOECKE |
MUSIK | BENJAMIN BRITTEN (1913-1976), SIMPLE SYMPHONY MIESKUORO HUUTAJAT, "H.Y.V.Ä." UND "SININEN JA VALKOINEN" |
LICHT | UDO HABERLAND |
DRAMATURGIE | NADJA KADEL |
URAUFFÜHRUNG | 16.APRIL 2013, MOVIMENTOS - FESTWOCHEN DER AUTOSTADT, WOLFSBURG |
DAUER DER VORSTELLUNG | 20 MIN |
ON STAGE | 8 TÄNZERINNEN |
In Peekaboo behandelt der deutsche Choreograph Marco Goecke den Akt des Versteckens und Enthüllens auf spannende Art und Weise. Der Titel verweist auf ein unter Kindern sehr beliebtes Spiel: eine Person schaut, verdeckt ihr Gesicht, taucht wieder auf und sagt: „gefunden“ oder „kuckuck“. Das Stück, das Brittens Sinfonie mit dem Klang des finnischen Chors Huutajat vereint, offenbart Gegensätze: während von Fantasie die Rede ist, legt es die Ängste und die Einsamkeit der Tänzer offen. Die Besetzung wechselt zwischen Solos, Duetten, Trios und Ensembles, die Bewegungen sind schnell und präzise, die Darsteller erscheinen und verschwinden auf mysteriöse Weise von der Bühne.
Häupter hinter Hüten
Die Frage von Sein und Nichtsein, die Linie zwischen Sichtbarkeit und Verschwinden hat den Choreografen Marco Goecke immer interessiert. In „Peekaboo“, seiner jüngsten Arbeit für die São Paulo Companhia de Dança, die als Weltpremiere bei den Movimentos Festwochen am 16.04.2013 in Wolfsburg uraufgeführt wird, beschäftigt er sich mit dem Verstecken und der Unsichtbarkeit auf spielerische Weise. Der Titel bezieht sich auf ein bekanntes Spiel für kleine Kinder: Der Erwachsene verbirgt sein Gesicht hinter etwas und tut damit so, als sei er verschwunden. Indem er das Gesicht wieder zeigt und „Peekaboo!“, also „Kuckuck!“ ruft, taucht er wieder auf. Das Stück beschwört Bilder aus der Kinderseele des Choreografen herauf, mit all ihrer Phantasie, Leichtigkeit und ihren Vergnügungen, aber auch mit ihren Ängsten und Albträumen. Hüte erscheinen als spielerische, aber auch unheimliche und traumhafte Elemente, die in ihrem Inneren das verbergen, was sie in Bewegung setzt.
Benjamin Britten komponierte die „Simple Symphony“ im Alter von 20 Jahren, griff dabei aber auf eine Skizze zurück, die er bereits mit neun Jahren geschrieben hatte. Im Gegensatz zu vielen anderen Komponisten, die ihre frühen Versuche später als Jugendsünden ablehnten, war Britten stolz auf seinen Entwurf und bezeichnete ihn mit britischem Understatement als „nicht uninteressant“. Berichte von Freunden und Verwandten bestätigen, dass er sich einige seiner Eigenschaften aus der Kindheit auch als Erwachsener bewahrt hatte. Dazu gehörten Gefühlsäußerungen ebenso wie die Freude an Spielen, Scherzen, Reimen und Verkleidungen. Goecke kombiniert Brittens Symphonie mit dem ziemlich rau klingenden finnischen Chor „Huutajat“, einem Ensemble von 30 Männern, die auf eine Weise schreien, wie es ihnen ihre Eltern wohl verboten hätten. Ist die Leichtigkeit von Brittens frühem Werk im Erwachsenendasein verschwunden? Verwandelt sich Musik in Schreien, wenn die Poesie der Kindheit in Vergessenheit gerät? Goeckes Choreografie mit ihren geheimnisvollen, zitternden, aber sehr präzisen Bewegungen und ihrer Kombination sehr verschiedener Klangerlebnisse führt die Spannung zwischen Phantasie und Entzauberung vor. Doch sie verführt uns auch dazu, auf das Kind in uns zu hören. Nadja Kadel