GRUPO CORPO
PRESSESTIMMEN
ÜBERRASCHENDE KÖRPERSPANNKRAFT
Grupo Corpo aus Brasilien in der Reihe „ Highlights des internationalen Tanzes“ in der Oper
Dass das einstige klassische Dreispartenhaus die eigenen Ballett-Truppe einbüßen musste – ein Verlust ist das allemal. Einerseits. Andererseits hat der Wegfall zu einem fruchtbaren Boom der freien Tanzszene geführt, zum anderen hat Bonns Generalintendantin Klaus Weise aus der Not eine Tugend gemacht und bietet seinem Publikum mit der Gastspiel-Reihe „Highlights des internationalen Tanzes“ Produktionen an, in deren Genuss man sonst nur schwer kommen würde.
Wie jetzt der stürmisch gefeierte, grandiose Abend der brasilianischen Grupo Corpo der Brüder Paulo und Rodrigo Pederneiras. Der Name dieser exzellenten Company ist Programm: Die 19 Tänzerinnen und Tänzer agieren als „Tanzkörper“, als eine atemberaubend dichte, fast wie maschinell gesteuert und dennoch in höchster Weise organisch wirkende Einheit. Außergewöhnlich die Präzision, die Synchronie, mit der hier zum Teil hochkomplexe Bewegungssequenzen in geradezu atemberaubender Leichtigkeit, ja Schwerelosigkeit umgesetzt werden. Fast macht einen die temporeiche, oftmals „kreisende“ Körpersprache schwindeln, bei manchem Pas de deux wird wegen der subtilen Dynamik der „Figuren“ eine Zuordnung der einzelnen Extremitäten nahezu unmöglich.
Mit „Parabelo“, so der Titel der zu Beginn gezeigten, 1997 in Sao Paulo aus der Taufe gehobenen brasilianischen Choreografie Rodrigo Pederneiras, wird eine automatische Handwaffe bezeichnet. Deren explosiv zerstörerische Kraft steht nicht für Anarchie, sondern für eruptive Lebenslust, die sich, zögerlich erst, in ikonographisch rituellen, bisweilen folkloristisch anmutenden poetischen Ensemble-Bildern, dann aber, umso ausgelassener, auch in Solitischem entfaltet. Für die musikalische Folie sorgt zeitgenössische brasilianische Musik von Tom Ze und Ze Miguel Wisnik. Ima, die zweite gezeigte, 2009 ebenfalls in Sao Paulo uraufgeführte Arbeit Rodrigo Pederneiras auf eine Klangkollage von „+2“ (der Musiker Domenica, Kassin und Moreno) bezieht Spannung aus dem spielerisch witzigen Wechsel von trennender und verbindender Körpersprache. Aber selbst wenn sich die Tänzerinnen und Tänzer solistisch artikulieren, bleibt der Bezug zur Gruppe stets erhalten, das Individuum verlangt förmlich nach einem Pendant, um sich zu vervollständigen. Und immer dann, wenn man meint, das Tempo sei nicht mehr zu steigern, wird man erneut überrascht. Vitaler, gewagter, faszinierender als hier wird man das Leben an sich kaum bebildert finden.
Fritz Herzog
Bonner General-Anzeiger, 11.November 2010
VOM HEFTIGEN KAMPF ZUR VERSÖHNUNG
(...) Eigenwillige kriechende Bewegungen in schwarzumflorten Trikots vorgeführt markierte den Beginn. Bis zum frech-bunten Finale gibt es eine Flut kraftvoll getanzter Figuren in verschiedenen Besetzungen und stets als ästhetische Bilder komponiert zu betrachten. Der Soundtrack stammte von zwei in Brasilien bekannten Musikern: Tom Zé und Zé Miguel Wisnik. Eine sparsam instrumentierte, gerne in Wiederholungen verharrende Musik, die sich jedoch mit dem Tanz ausdrucksstark vervollständigte.
Den zweiten Choreographie "Ima" lagen elektronische Klänge zugrunde, verfasst vom brasilianischen Trio "Moreno, Domenico, Kassin". Zu hören war eine radikale Mixtur aus Elementen des Bossanova, afroamerikanischer Musik, aber auch des japanischen Multiintrumentalisten "Cornelius". Mit kraftvollen, mitunter sogar brutal wirkenden Gesten thematisierten einzelne Abteilungen in unterschiedlicher Besetzung die wechselseitige menschliche Abhängigkeit in ausdrucksstarken Bildern. Großer Beifall war der verdiente Lohn für die Darbietungen.
Felicitas Zink, Bonner Rundschau, 11.November 2010