CENTRO COREOGRAFICO NAZIONALE / ATERBALLETTO
PRESSESTIMMEN
HEITER UND SYMPATHISCH
Mauro Bigonzetti liebt Deutschland, und das deutsche Publikum liebt ihn, den einzigen italienischen Choreographen der Gegenwart von Weltruf.
Und er ist ein Choreograph, der sich bedingungslos zur Schönheit in der Kunst bekennt und das unmißverständlich zeigt - auch wenn ihm dies die Kritik hierzulande allzu häufig ankreidet. Come un Respiro ist ein makelloses Werk, mit dem Gestus eines Choreographen inszeniert, der sein Handwerk versteht. Bigonzetti hat für neun Frauen und fünf Männer eine Art Kammerballett kreiert, eine Arbeit wie aufs Wesentliche reduziert.
Im Verlauf der 45 minütigen Choreographie führt Bigonzetti sein bemerkenswertes Musikverständnis vor: In Soli und Duetten reagiert er feinsinnig auf den Charakter der ausgewählten Suitensätze, läßt sich in der Bewegungsfindung von der Musik unverkennbar inspirieren, ohne diese auf simple Weise durch den Tanz zu illustrieren und ihm damit seine Eigenheit zu nehmen. Zugleich demonstriert er dabei die jeweilige tänzerische Persönlichkeit der Ensemblemitglieder.
Bigonzetti hat mit Come un respiro ein kurzweiliges, schnörkelloses Ballett geschaffen, dessen Bewegungsduktus in der neoklassischen Technik seine Wurzel hat, zugleich die zeitgenössischen Neuerungen vor allem eines William Forsythe nicht ausklammert, sondern geschickt integriert. Das alles ist zunächst einmal nichts Ungewöhnliches, kennzeichnet zahllose Ballette der heutigen Zeit, dennoch die heitere, sympathische Art, mit der dies in Come un respiro geschieht, macht aus diesem Stück eine kleine Preziose: die Vermählung sonnendurchglühter italienischer Leidenschaft mit nördlicher Klarheit.
Klaus Kieser, tanzjournal 4-09
DIE MEISTER DER POSE
Es ist vollendet, es ist perfekt, es ist atemberaubend: Die Italienische Compagnie Aterballetto gastiert bei den Movimentos Festwochen. Bigonzetti ist ein Meister der Pose mit feinem Gespür für Eleganz. Das zeigt sich vor allem im ersten Teil des Abends. Wie ein Bildhauer arrangiert er seine Tänze, mal allein, zu zweit oder in größeren Gruppen. Immer wieder verharren sie skulpturenhaft, bevor sie erneut kraftvoll den Raum erobern und die tänzerische Leistung der 19 Aterballetto-Solisten bleibt unangefochten Spitze.
Kirsten Allée, Hannoversche Allgemeine 8.5.2009
VERTRAUENSVERHÄLTNISSE
Mit "Come un respiro" traut Mauro Bigonzetti eine dreiviertel Stunde lang sich und dem Tanz alles zu. Vertraut darauf, dass Tanz beredt von sich selbst erzählen kann. Vertraut darauf, dass eine schlicht angezogene Tänzerin, ein gar nicht mal großer Tänzer die Aufmerksamkeit allemal fesseln können, wenn sie und der Tanz nur gut genug sind. Und das Ensemble des Aterballetto und auch die Choreografie sind es.
Sylvia Staude, Frankfurter Rundschau 8.5.2009
ATEM AUS DEM WERK HÄNDELS
Sie tanzen, als spielten sie mit ihren Möglichkeiten graziler Bewegung, ein wenig auf der Spitze, eine leichte Drehung, Anwinkeln der Arme, überwiegend synchron. Auf einmal löst sich eine Ballerina aus der Gruppe und beginnt ihr Solo. "Come un respiro", wie ein Atem(zug), die Weltpremiere der italienischen Compagnie bei den Movimentos-Festwochen hat begonnen. 1000 Zuschauer sind schon jetzt fasziniert, applaudieren der Solistin.
Im Kontrast zur Musik zwar, aber dennoch im rhythmischen Einklang mit Georg Friedrich Händels Suite g-Moll HWV 447, bewegen sich die Tänzer des Aterballetto aus Reggio Emilia. Es ist ein modernes Ballett, aber gerade deshalb choreographiert Mauro Bigonzetti mit Rückgriff auf traditionelle kulturelle Ausdrucksmöglichkeiten. In dieser 50-minütigen Aufführung ist es die gelungene Verbindung von klassischem Tanz mit modernen Formen, von barocker Musik mit deren Jazz-Interpretation durch Keith Jarrett.
Anmutig fließend, so leicht als schwebten sie über den Boden, sich in Gruppen findend, dann wieder im Pas de deux oder im Solo – alles ist einfach schön, elegant, gekonnt, sogar akrobatisch. Ineinander, übereinander gehen die Körper. Sehr zart streift ein Fuß über den Rücken des am Boden hockenden Tänzers, der sodann die Tänzerin um sich dreht als stünde er aufrecht. Dann wieder zeigen sie Witz, stößt der Solotänzer zwei sich nähernde Tänzer fort, verlassen zwei Tänzerinnen gesenkten Hauptes die Bühne.
Sie interpretieren Händel, indem sie aus dem Kosmos seiner Musik atmen. In der folgenden 55-minütigen Deutschlandpremiere von "Incanto dall’ Orlando Furioso" setzt sich dies fort. Aber die Bilder verändern sich. Der "rasende Roland" von Ludovico Ariosto gehört zur Weltliteratur, beeinflusste das französische Theater, Shakespeare, Goethe und auch Tolkien. Es ist eine ritterliche Liebesgeschichte, voller erotischer Abenteuer und phantastischer Szenen, komplizierter Verwicklungen, von Eifersucht, Treue und Zuneigung. Händel kannte Ariost’ Meisterwerk. 1707 bis 1710 hielt sich der Komponist in Italien auf, ließ sich inspirieren von der italienischen Oper und begeisterte mit seiner Musik den italienischen Adel.
Hans-Adelbert Karweik, Wolfsburger Nachrichten 8.5.2009