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zur Startseite (ecotopia dance productions: Pressestimmen Centro Coreografico Nazionale / Aterballetto - Canto per Orfeo)

CENTRO COREOGRAFICO NAZIONALE / ATERBALLETTO

PRESSESTIMMEN

SUGGESTIVER TANZ IN EINER FLAMMENHÖLLE
Aterballetto tanzt den antiken Mythos von Orpheus und Eurydike

(...) Frei nach dem alten Mythos von Orpheus und Eurydike hat der künstlerische Leiter Mauro Bigonzetti eine eindringliche moderne Choreografie geschaffen, die im vergangenen Jahr uraufgeführt wurde.
Sein „Canto per Orfeo“ ist ein Gesamtkunstwerk: Videosequenzen lassen Flammen über die Tänzer und bis zu den vorderen Seitenwänden flackern und züngeln. Im Hintergrund schaffen Videos eine archaische unterirdische Traumwelt. Den Bezug zur Gegenwart schaffen die ständig präsenten großen rostigen Fässer, immer wieder neu angeordnet, gestapelt, gerüttelt, umgeworfen oder zur gemeinschaftlichen Trommelorgie genutzt.

Eine Rauminstallation, die zum gleichberechtigten Partner wird. Radiosignale schaffen akustische Übergänge von Ober- zu Unterwelt, während die Musik selbst wieder ins Archaische reicht, live gespielt und gesungen vom Trio Kitarodia, das die Szene begleitet, ja mitten hindurchgeht, die Tänzer Orpheus und Eurydike umkreist mit seinen Klängen, die mit Akkordeon und Rahmentrommeln Orpheus` Zauberspiel evozieren.

Bühne, Video, Musik und Tanz schaffen zusammen den Rahmen für den alten Mythos, für zentrale Themen des Menschseins; die Begegenung von Mann und Frau bis hin zum Geschlechterkampf, seliges Liebesglück, aber auch unendlich verzweifeltes Erleben von Trennung, Tod und Abschied. Eine sehr motivierte, dynamische, zuweilen athletische Truppe frischt Handlungsballett mit Elementen des klassischen Balletts und des Modern Dance, auf. Archaische Kräfte werden spürbar in den zahlreichen Begegnungen. Das Corps de Ballett begleitet das starke Protagonistenpaar in der Art eines antiken Chors, beobachtend, tanzend, bis zur Zeitlupe verlangsamt, sich verrenkend, als Paare in wilder Kopulation die Sinnlichkeit auslebend, zur Gruppe verschmelzend und wieder auseinanderdriftend, synchron oder völlig gegenläufig. Immer bleibt auch Raum für stille, zärtliche Momente – ein Gesamtkunstwerk.
Schwäbische Zeitung, 9.3.2013

JEDER IST ORPHEUS UND EURYDIKE
„Canto per Orfeo“ - Die Compangnie Aterballetto aus Italien macht im GZH Friedrichshafen einen antiken Mythos zum Gesamtkunstwerk

Dunkelheit, Blechfässer auf der Bühne, schimmerndes Feuer. Ein verlorener Akkordeonspieler, Videoprojektionen. Bewegung, immer mehr, aber abgehackt und zerrissen – ähnlich wie der schlechte Empfang des Radios. Reißt die Verbindung zwischen der unter- und oberirdischen Welt ab? Mann und Frau stehen auf den Fässern, die Szenerie umgarnt das, was doch eigentlich gar nicht begehrenswert ist. Die Sonore Stimme der Sängerin geht unter die Haut.
Aterballetto mit „Canto per Orfeo“ im Graf-Zeppelin-Haus in Friedrichshafen: Ballett, wie man es nicht alle Tage sieht. Für Tänzerinnen und Tänzer, aber auch für das innerlich beteiligte Publikum heißt das, sich einzulassen auf ungeahnte Gefühlsebenen, auf Sphären aus unterschiedlichen Welten. Dabei sind Aufmerksamkeit und Phantasie des Betrachters durchaus gefordert.
Was zunächst ein wenig gewöhnungsbedürftig erscheint, wird klarer und klarer. Ist das der Todeskampf für Euridike oder die Hoffnungslosigkeit von Orpheus, wenn blecherne Gefäße das Sprachrohr der Verzweiflung
symbolisieren? Ist das der Weg zurück ins Leben, wenn Klatschen und Stampfen den Pulsschlag vorgeben und zum Rhthmus der Leidenschaft werden? Die Protagonisten sind einzigartig und doch verlieren sie sich in der Masse, in jedem einzelnen Tanzpaar. Wer ist Orpheus, wer ist Eurydike? Im Grunde jeder und jede, nicht nur auf der Bühne, auch in den dicht besetzten Parkettreihen.
Orpheus steigt in die Unterwelt, um durch Gesang und Spiel seiner Lyra den Gott Hades zu bewegen, ihm seine geliebte Eurydike zurückzugeben. Seine Kunst ist so groß, dass Hades seine Bitte gewährt – jedoch nur unter der Bedingung, dass Orpheus auf dem Weg zurück nach oben vorangehen müsse, ohne sich noch einmal nach dem geliebten Weib umzusehen. Eine Prämisse, die er letztlich nicht erfüllen kann, als er Eurydike nicht mehr hinter sich wähnt – und sie damit für immer verloren ist.
So erzählt es jedenfalls die Geschichte aus der Mythologie. Aber was ist schon Handlung? Ist das nicht mehr als die bloße Abfolge von Geschehnissen? Wird Handlung nicht in erster Linie auch durch Emotion geschaffen? In diesem Sinne wird Aterballetto in der Choreografie von Mauro Bigonzetti der Geschichte von Orpheus und Eurydike gerecht, weil es um Liebe geht, um Tragödie und Komödie, um klangliche Abenteuer, um Körperlichkeit und künstlerische Visionen. Außergewöhnlich sind nicht nur die tänzerischen Leistungen. Die Musik von Antongiulio Galeandro am Akkordeon im Zusammenspiel mit Gesang und instrumentaler Unterstützung von Cristina Vetrone und Lorella Monti wird zur zwingenden Begleitung, wenn auch die Unverständlichkeit des gesungenen Wortes und die Dominanz der Klänge irritierend wirken mögen und den Tanz um Leben und Tod zeitweise fast in den Hintergrund zu drängen scheinen.
Die Farbgestaltung wird rot. Rot wie die Liebe, wie das Feuer der Begierde, wie die Flammen der Hölle. Wellen und Wolken fließen, werden zu Gestein, zu Sand, zu Nebel, nehmen Kontur eines Gesichts an. Seelische Pein und körperlicher Schmerz werden greifbar und scheinen Hand in Hand zu gehen. Im betörenden Pas de Deux werden die Fesseln der Konvention gesprengt, finden die Körper zusammen und verschlingen sich ineinander - in Dunkelheit und Enge und der Intimität eines verrosteten zylindrischen Hohlraums.
Wieder ist es die Ausweglosigkeit und Leere, wieder ist es das Licht am Horizont, das den Gleichklang der Bewegungen provoziert, das vieles nur andeutet, statt es in letzter Konsequenz auszuleben. Ekstatische Explosionen werden von einer kaum auszuhaltenden Zeitlupenhaftigkeit erstickt, die in den schieren Wahnsinn münden muss. Mal sich angstvoll windend, mal kraftvoll und zärtlich fließen – die Faszination der Körperspannung ist ungebrochen. Alles gehört zusammen, alles bedingt sich. Aber aus weiß ist längst schwarz geworden. Orpheus erhält das Akkordeon, das er zu Beginn in den Händen hielt, vom Musiker zurück. Der Kreis hat sich geschlossen.
Brigitte Geiselhart, Südkurier, 9. 3. 2013

HIER PRALLEN EXTREME AUFEINANDER
Auf der Bühne stehen Fässer, die Gebrauchsspuren verraten. Links und rechts glühen die Wände. Ein Flächenbrand im Kurtheater? Nein, nur im übertragenen Sinn. Tanzt das italienische Aterballetto, scheint es stets alle und alles in Brand zu setzen. So auch bei seinem jüngsten Badener Gastspiel mit einer Choreografie von Mauro Bigonzetti.

Der italienische Choreograf greift auf den Orpheus-Stoff zurück und variiert ihn auf eine bisweilen geradezu aberwitzige Art und Weise: Athletisch, mit Bewegungen, die es im Grunde gar nicht gibt; mit jähen, brutalen Gesten, die den Zuschauer im Wechsel mit scheuen frieren lassen. Zuckende und verknäuelte Körper erzählen nicht nur von Orfeo und Euridice, sondern ganz viele Geschichten von Mann und Frau und damit von Anziehung und Ablehnung, Hingabe und Leidenschaft, Trauer und Hoffnung.

Viel zu viel, könnte man an dieser Stelle einwenden. Vielleicht, aber diese Überfülle ist beim Aterballetto Programm. Die Compagnie weiss nämlich: Ihre Körper- und Bildsprache entwickelt eine unglaubliche suggestive Kraft. Jedenfalls ist das Aterballetto ein sicherer Wert im Hinblick auf Adrenalinschübe.

Nicht allein der Tanz hat daran Anteil, auch die Beleuchtung, welche die Körper so ins Licht rückt, dass diese wie muskelbepackte Michelangelo-Skulpturen wirken.

Die Musik ist ein weiteres, tragendes Element. In „Canto per Orfeo“ wird sie nicht eingespielt, sondern erfolgt live vom Trio Kitarodia um Antongiulio Galeandro (Akkordeon), Cristina Vetrone (Akkordeon, Gesang) und Lorella Monti(Gesang). Der raue, archaische Klang fährt ein – ist schlechthin ideal für die hitzigen Bewegungsspiele auf der Bühne. Massenszenen bestimmen den ersten Teil von Bigonzettis Choreografie. Aus den geometrischen oder scheinbar ungeordneten Bewegungsketten schälen sich Orfeo und Euridice heraus – und damit thematisiert Bigonzetti sein Lieblingsthema:

Die Begegnung zwischen Kollektiv und Individuum. Das Kollektiv setzt die Fässer explosiv in Schwung oder lässt sie kreiseln; die Körper sind Rhythmusinstrumente. Nach der Pause ein Pas de deux – ohne Happy End. Auch bei Bigonzetti bleibt Orfeo der Abschied von Euridice nicht erspart. Aus der Tiefe eines Fasses recken sich jedoch ihre Hände empor und überreichen dem Musiker Orfeo ein Akkordeon. Zum Heulen schön.
Elisabeth Feller, AZ Baden 7. 3. 2013

DAS GESPENST IST DIE STUMME WELT
Canto per Orfeo heisst das Stück, welches das italienische Vokal- und Akkordeon-Ensemble Kitarodia zusammen mit der prachtvollen Compagnia Aterballetto erarbeitet hat. Der Inhalt des Stückes ist beherrscht von den Gesten einer zerstörerischen Anziehungskraft. Die Choreografie von Mauro Bigonzetti verwendet die tanzenden Körper wie Hochleistungsmagnete, die mit plötzlicher Schnelle umgepolt werden. Mal drängen sie sich ab, als lägen unüberwindliche Welten zwischen ihnen. Dann wieder zerschellen sie mit gewaltsamer Wollust aneinander.
Canto per Orfeo feiert den Exzess der Extreme. Da stehen Gesten nackter Gewalt am Rande grenzenloser Schönheit. Zitternde Körper, die sich in Akte der Selbstzerstörung zusammenkrampfen, entfesseln sich in zügelloser Erotik. Die wenigen Lichtblicke aber werden in einfachen Umarmungen erfüllt. Hierzu markieren die rauen Stimmen von Kitarodia und das frivol-melancholische Kolorit des Akkordeons einen maximalen Kontrast. Alles in allem: Canto per Orfeo erreichte das Höchste. Er machte das Publikum sprachlos
Silvan Moosmüller, Basler Zeitung 6.8.2012

DER MYTHOS LEBT
Da huschen weiß gewandete Gestalten von den Rändern ins Rund der Arena, kauern hinter den da verteilten Fässern (Bühne Carlo Cerri); eine Gestalt aber setzt sich ab von der amorphen Masse, erzeugt mit einem Akkordeon schmelzende Klänge - ein Bild, das zum Schluss mit veränderten Vorzeichen und den Weltschmerz-Tönen des diatonischen Akkordeons wiederkehrt. Dazwischen erzählen die 18 Tänzer und Tänzerinnen der Compagnia Aterballetto in ausdrucksstarken Szenen, die die Bewegung in orfeische Gesänge verwandeln, ihre Version des Mythos - unterstützt von der kongenialen, an italienischer Folklore orientierten Live-Musik des Trios Kitarodia um Antongiulio Galeandro (Akkordeon), Cristina Vetrone (Akkordeon, Gesang) und Lorella Monti (Gesang, Rahmentrommel). Zerstückelte Radiosounds gleichsam Morsezeichen aus anderen Sphären, leiten nach dem Prolog auf dem Fass die Bewegungsspiele ein. Im Wechsel von Massenszenen, Solos, Pas de deux oder Pas de trois durchmisst das Ensemble Gefühlswelten - Liebe, Leidenschaft und Hingabe, Trauer, Wut, Verzweiflung, Hoffen. Da entstehen Kreise, aus denen sich Orpheus und Eurydike herausschälen, Bewegungsketten, die wie in anderen Bigonzetti-Stücken zwischen Kollektiv und Individuum oszillieren, die mal das quirlige Aroma einer italienischen Piazza mit Partystimmung verbreiten, mal in Melancholie versinken, dann zur explosiven Zeremonie werden, in der die Fässer in Schwingung geraten und kreiseln.
Da verknäulen sich Körper und entwirren sich wieder, werden zerlegt in Einzelteile und neu komponiert; da entstehen geometrische Körperfiguren. Die Szenerie entwickelt sich - zumal im Dunkel und mittels eingespielter Projektionen - zu einem Fluidum, das Assoziationsräume aufstößt, ohne sich auf eine Interpretation festzulegen. Eine furiose Choreographie.
Michael Baas, Badische Zeitung 6.8.2012

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